US-Vizepräsident Joe Biden beim türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan (rechts). Das Verhältnis der Nato-Partner war schon einmal besser, aber nun bemüht sich Washington um eine Beruhigung.

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Jeddah/Wien – John Kerry – zweifellos Rekordhalter, was im Dienst zurückgelegte Flugkilometer eines US-Außenministers betrifft – geht in seine letzte Saison: Am Mittwochabend traf er von Nigeria kommend in Saudi-Arabien ein, nach nächtlichen Gesprächen mit Kronprinz und Vizekronprinz stand am Donnerstag ein Treffen mit dem fragilen König Salman bin Abdulaziz auf dem Programm.

Noch am Donnerstag reiste Kerry nach Genf weiter, dort wird sich am Freitag das unwahrscheinlichste Paar der internationalen Diplomatie wiedersehen: Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow wollen versuchen, Hürden bei einer Zusammenarbeit in Syrien, die zu einer haltbaren Waffen ruhe führen soll, zu überwinden.

Dass die Möglichkeit einer US-russischen Abstimmung in Syrien überhaupt noch auf dem Tapet ist, hat stark mit der Beharrlichkeit der beiden zu tun, die einander durch die langen Verhandlungen über den Atomdeal mit dem Iran gut kennengelernt haben. Neu ist jedoch das Konkurrenzverhältnis der USA und Russlands, was die Türkei betrifft – und die USA sind bereit, einige Kröten zu schlucken, um zu verhindern, dass sich Ankara nach seiner Versöhnung mit Moskau zu sehr auf die russische Seite ziehen lässt.

Verbündete zurückpfeifen

Am Donnerstag rief Kerry den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoglu an, um ihm zu versichern, dass sich die YPG, die Milizen der syrischen Kurdenpartei PYD, auf die Ostseite des Euphrats zurückziehen würden. Am Vortag hatte US-Vizepräsident Joe Biden bei seinem Besuch in Ankara diesen Rückzug von den Kurden verlangt und ihnen mit einem Entzug der US-Unterstützung gedroht. Damit geben die USA einem Wunsch Ankaras nach – auf dem Rücken der Kurden.

Gleichzeitig geht es wohl aber auch darum, die Türkei einzubremsen: Die USA haben zwar Interesse an einem größeren Einsatz der Türkei gegen den IS in Syrien als bisher und daran, dass Ankara den gemäßigten Rebellen hilft, sich zu etablieren. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass ein zu tiefer Vorstoß und eine anhaltende türkische Präsenz in Syrien unter den Arabern Sorge über die wirklichen Pläne der Türken auslöst.

Ein Kampf, zwei Ziele

Die Türkei hatte ganz offen als Ziel ihrer Jarablus-Offensive, bei der erstmals auch türkische Bodentruppen in Syrien im Einsatz sind, formuliert, dass nicht nur der IS vertrieben, sondern auch die Kurden zurückgedrängt werden sollten. Die USA unterstützen diese Offensive aus der Luft, im Wissen, dass ihre eigenen Kriegsziele teilweise mit denen der Türkei kollidieren.

Biden war Präsident Tayyip Erdogan auch insofern entgegen gekommen, als er zugab, dass sein Besuch in Ankara überfällig war: Die Türkei wirft den USA ja, wie der EU, mangelnde Solidarität nach dem Putschversuch im Juli vor. Die USA scheinen einmal mehr eher zu reagieren als zu agieren: Der militärische Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) geht zwar voran – mit Jarablus hat der IS seine letzte Hochburg an der türkisch-syrischen Grenze verloren –, aber ein politisches Konzept, wie die vom IS befreite Region einmal endgültig befriedet werden kann, scheint zu fehlen.

Auch die arabischen Golfstaaten stecken in ihren Problemen fest, nicht zuletzt mit dem Krieg im Jemen. Bei seinem Besuch in Jeddah musste Kerry erklären, warum die USA ihr Engagement in der saudisch-geführten Allianz hinunterfährt, die im Jemen gegen die schiitischen Huthi-Rebellen kämpft – hinter denen die sunnitischen Araber den Iran sehen. Obwohl Washington einen Zusammenhang bestreitet, ist es für die Amerikaner peinlich, dass es fast täglich neue Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch die Allianz gibt (wobei auch die Rebellen keinerlei Rücksicht auf Zivilisten nehmen). Kerry sprach das Problem an und wiederholte die Forderungen an die Huthis – die diese schon bisher nicht erfüllt haben. Es soll jedoch eine neue Friedensinitiative geben.

In Saudi-Arabien beginnt man mit einer US-Regierung abzuschließen, die man als unzuverlässigen Partner sieht. Riad wird Präsident Barack Obama nie verzeihen, dass er den Iran rehabilitiert hat. Gleichzeitig machen sich die Araber wenig Illusionen: Donald Trumps Sieg wäre wegen seiner Islamfeindlichkeit eine Katastrophe für die Beziehungen, Hillary Clinton gilt als schwach. (Gudrun Harrer, 25.8.2016)