Wien – Nach einem Monat wollte er alles hinschmeißen, dabei hatte er so viel Glück wie sonst kaum ein Flüchtling. Ashkan Khani kam im Juni 2015 nach Wien, ein halbes Jahr später hatte der 20-jährige Afghane seine Lehrstelle bei Merkur in der Tasche. Er war überfordert: Sein Deutsch war zwar gut genug, um den Job zu ergattern, es reichte aber nicht, um allen Anweisungen zu folgen.

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Die österreichische Familie, bei der er unterkam, redete ihm ins Gewissen. Ohne Bildung habe er hier keine Zukunft. Khani machte weiter. Das erste Lehrjahr hat er bereits hinter sich, sein Deutsch ist heute ausgezeichnet. Khani ist privilegiert, er hat anders als viele Flüchtlinge Kontakt zu Österreichern, die ihm auch die Lehre vermittelten. Auf einen Bescheid musste er für den Job nicht warten, Rewe holte eine Sondergenehmigung ein. Dass er trotz günstiger Bedingungen fast gescheitert wäre, zeigt, wie schwer die Integration der vielen Flüchtlinge am Arbeitsmarkt sein wird.

Der Rat seiner Gastfamilie ist jedenfalls Gold wert, wie ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen zeigt. Migranten sind in Österreich viel öfter ohne Job als Einheimische. So haben zum Beispiel 41 Prozent aller Türken mit maximal Pflichtschulabschluss keine Arbeit, Türken mit Lehre sind mit 5,4 Prozent hingegen sogar seltener arbeitslos als Österreicher. Wer sich bildet, findet hier also seinen Platz.

Der Integrationsexperte August Gächter sieht eine Lehre als Option für 35.000 bis 45.000 Flüchtlinge, die 2015 gekommen sind. Das wäre nahezu jeder Zweite. Ein riesiger Aufwand, aber nicht unrealistisch, sagt Gächter zum STANDARD. Denn man bräuchte nicht sofort alle Plätze. "Sie erhalten erst nach und nach ihre Asylbescheide", sagt er. "Viele werden zuerst versuchen, als Hilfsarbeiter einen Job zu finden. Erst wenn sie dann merken, dass das doch nicht so läuft, werden sie sich die Zeit für eine Ausbildung nehmen."

Zur Einordnung: Derzeit gibt es 110.000 Lehrlinge in Österreich. Die Ausbildung beginnt in der Regel mit 15 Jahren. Zwei Drittel der Flüchtlinge sind bereits über 18. Das könnte man zum Anlass nehmen, um das Modell der Lehre auch für Erwachsene zu öffnen, sagt Gächter. Das sei unabhängig vom Flüchtlingsandrang auch für bereits ältere Österreicher mit Schwierigkeiten am Jobmarkt hilfreich.

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Derzeit ist die Ausbildung darauf ausgerichtet, dass der Lehrling bei den Eltern wohnt. Sonst sind die gut 300 Euro zu Beginn zum Leben zu wenig. Dafür fände sich eine Lösung, sagt Gächter. Optionen wären Zuschüsse vom Staat, an Erfolge in der Lehre gekoppelte Stipendien oder staatliche Kredite, die von Flüchtlingen später zurückgezahlt werden.

Für alle kommt das aber nicht infrage. Wer schon in seiner Muttersprache nicht lesen und schreiben kann, braucht zwei bis drei Jahre, bis er mit Deutsch durch den Alltag kommt. Wie gebildet die rund 90.000 Flüchtlinge sind, weiß noch niemand. In Afghanistan ist einer von drei jungen Männern Analphabet, in Syrien und Irak ist dies aber die Ausnahme.

Beim AMS hält man eine Lehre für Flüchtlinge für sinnvoll. Ob man sie auch für Erwachsene öffne, müsse die Politik entscheiden, sagt Ernst Haider. Es gebe für Ältere aber schon jetzt eine Ausbildung zum Facharbeiter. Außerdem sei es schon für jüngere Migranten schwer, eine Lehrstelle zu finden.

Bei Rewe, dem Arbeitgeber von Ashkan Khani, gewinnt man dem Vorschlag von Gächter durchaus etwas ab. Lebenslanges Lernen sei von großer Bedeutung, sagt Christian Meister, der Personalchef des Konzerns, zum STANDARD. "Ein 25- oder 35-Jähriger weiß oft auch schon besser, was er möchte." (Andreas Sator, 24.8.2016)