Mahnt Kurz zur Zusammenarbeit: Drozda

Foto: apa/pfarrhofer

Wien – Regierungskoordinator Thomas Drozda (SPÖ) kritisiert die jüngste Vorgangsweise von Integrations- und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Vorschläge medial zu präsentieren, anstatt regierungsintern zu diskutieren. Das Verhalten Einzelner entspreche eher dem eines Oppositionspolitikers, sagte Drozda am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal".

Eine Koalitionskrise sieht Drozda dennoch nicht, die Regierung arbeite seit dem Wechsel im Kanzleramt in Arbeitsgruppen gut zusammen. "In vier Themenfeldern funktionieren die Gruppen sehr gut", so der Kanzleramtsminister – die Gruppe "Sicherheit und Integration" tage allerdings "de facto nicht". Die Gruppe wird von Innenminister Wolfgang Sobotka und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil geführt.

"Trifft auf den Außenminister zu"

Danach gefragt, wer in der Regierung wie ein Oppositionsvertreter agiere, stellte der Kanzleramtsminister fest: "Das ist sicher ein Befund, der auf den Außenminister zutrifft." Dass Kurz seine Vorschläge – Ein-Euro-Jobs, Burkaverbot – nicht in der Arbeitsgruppe diskutiere, sondern medial präsentiere, vereinfache die Regierungsarbeit nicht, kritisiert Drozda. Die Vorgangsweise sei "nicht zweckmäßig": "Da erwarte ich von den Kollegen, dass sie sich an den Kabinettstisch setzen." Es handle sich schließlich um sensible Themen: "Ich halte es für kontraproduktiv bis gefährlich, permanent Einzelvorschläge öffentlich zu diskutieren." Drozda hat in der Regierung die Funktion eines Koordinators inne, der die beiden Koalitionspartner zusammenbringen und moderieren soll.

ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald hat die Kritik Drozdas zurückgewiesen. Anstelle einer medialen Abwertung soll die SPÖ viel eher "konstruktiv mitarbeiten", forderte McDonald am Dienstag in einer Aussendung.

Der Generalsekretär appellierte außerdem an die SPÖ, "zuerst vor der eigenen Haustüre zu kehren und wichtige Projekte voranzutreiben". Es gebe schließlich genug zu erledigen, verwies McDonald etwa auf die Pensionsreform.

Mitterlehner unterstützt Kurz

Vizekanzler und ÖVP-Chef Mitterlehner unterstützt die jüngsten Vorschläge von Kurz für Änderungen im Integrationsgesetz sowie die Einführung von Ein-Euro-Jobs. "Jedes Arbeitsangebot ist besser, als in der Mindestsicherung zu verharren", sagte Mitterlehner der APA. Integration erfordere Rechte und Pflichten, die nun schärfer definiert werden sollen: "Das wird Thema der Regierungsarbeit und mit dem Koalitionspartner verhandelt." Kurz hatte am Montag angekündigt, noch diese Woche Verhandlungen mit Diversitätsstaatssekretärin Muna Duzdar und Sozialminister Alois Stöger (beide SPÖ) über das Integrationsgesetz aufnehmen zu wollen.

Duzdar gegen Ein-Euro-Jobs

Ein Verbot der Vollverschleierung lehnte Duzdar am Dienstag nicht grundsätzlich ab. "Persönlich bin ich gegen den Niqab oder die Burka", sagte sie der APA. Dem Vorschlag, Flüchtlinge zu Ein-Euro-Jobs zu verpflichten, kann sie aber wenig abgewinnen. Sie befürchte, dass es nicht um Integration, sondern um den Aufbau eines Niedriglohnsektors gehe, schrieb Duzdar auf Facebook. "Wichtig ist für mich die Integration von Anfang an und damit die Umsetzung der Integrationsmaßnahmen wie zum Beispiel gemeinnützige Tätigkeiten für AsylwerberInnen oder der Ausbau von Deutschkursen."

ÖVP-Frauen gegen Burkaverbot

Die ÖVP-Frauen wollen das Thema Burkaverbot nicht hochspielen, handle es sich bei vollverschleierten Frauen im Straßenbild doch um "Einzelerscheinungen". "Wir leben in einer freien Gesellschaft, wer sich ein Kopftuch aufsetzen will oder sonst wie anziehen, soll es tun. Aber wenn jemand öffentliche Ämter besucht, muss das Gesicht voll erkennbar sein", sagte ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm der APA. Emotional bewege das Thema derzeit, sie fordert aber, sich über die Hintergründe zu informieren. Aktuell sieht Schittenhelm keinen Bedarf an einem Burkaverbot. "Großen Handlungsbedarf sehe ich hingegen bei der Integration, da ist viel zu tun."

Die Burka als Symbol der Unterdrückung gehöre in Österreich verboten, betonte hingegen Carmen Schimanek, Leiterin der Initiative Freiheitliche Frauen, und verwies auf ihre jahrelange Forderung und einen entsprechenden Antrag. "Es ist bekannt, dass die Burka und andere Verschleierungen oft nur unter Zwang getragen werden und das Sozialleben sowie die Integration der betroffenen Frauen stark negativ beeinflussen." Ein Ganzkörperschleier habe in der westlichen Wertegemeinschaft "nichts zu suchen".

Grüne: "Symbolische Verbote" sind keine Stärkung der Frauen

Die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun wandte sich gegen eine Unsichtbarmachung von Frauen sowohl durch eine Ganzkörperverschleierung als auch durch einen Verweis aus dem öffentlichen Raum. Wolle man gegen Frauenunterdrückung ankämpfen, müssten Frauen vor allem bei Bildung und finanzieller Unabhängigkeit unterstützt werden. Unterdrückung und Gewalt würden mit einer Stärkung der Frauen und durch Einrichtungen wie die Frauenhäuser bekämpft, nicht jedoch mit einem "symbolischen Verbot".

Neos: Populistische Wortmeldungen nicht dienlich

Die Neos wiederum orten eine Scheindebatte; ein generelles Verbot sei jedenfalls nicht mit den persönlichen Freiheitsrechten vereinbar. Alles andere verlange nach einem Gesamtkonzept, so Frauensprecherin Claudia Gamon: "Populistische Wortmeldungen, die kaum Antworten in der Integrationsfrage geben, sind der Debatte nicht dienlich." Sie wünscht sich wie in der Flüchtlingsfrage die Einsetzung eines Regierungskoordinators. (red, APA, 23.8.2016)