Unterstützer der Huthis in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa marschieren auf, um die Aufstellung eines neuen Regierungsrats zu feiern.

Foto: AFP / Mohammed Huwais

Sanaa/Wien – Ali Abdullah Saleh war von 1978 bis 1990 nordjemenitischer Präsident und danach Staatsoberhaupt des vereinten Jemen, bis er 2012 nach Protesten – im Geiste des damals sogenannten Arabischen Frühlings – sein Amt aufgeben musste. 1990 hatte er Saddam Hussein, der Kuwait überfiel, unterstützt, nach 2001 sein Land für George W. Bushs Antiterrorkrieg geöffnet, und heute steht er aufseiten der Huthis, deren Aufstand er, als er noch Präsident war, grausam bekämpfte.

Und seine Flexibilität erlaubt es ihm, in einem Interview mit dem TV-Sender Rossija 24 Moskau die jemenitischen Flughäfen und Häfen zum Gebrauch anzubieten, für den "Kampf gegen den Terrorismus". Pate stand dabei wohl das iranische Beispiel: Teheran öffnete vergangene Woche seine Luftwaffenbasis Nojeh – einstweilen kurzfristig – für russische Bomber.

Der Krieg im Jemen ist längst zur Spielwiese von Kräften und Interessen geworden, die mit dem ursprünglichen Konflikt (siehe Wissen unten) nichts mehr zu tun haben. Auch im Jemen stehen sich Saudi-Arabien, das den von den Huthis vertriebenen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi mit einer Militärkoalition unterstützt, und der Iran, dessen Engagement für die Huthis jedoch nicht ganz so offensichtlich ist, gegenüber.

Überregionale Bedeutung

Russland hat sich, anders als in Syrien, nicht übermäßig exponiert: So hat es sich im April 2015, als im Uno-Sicherheitsrat Resolution 2216 ein Waffenembargo gegen die Huthis verhängte, nur enthalten, dieses also nicht verhindert. Dass sich Russland tiefer in den jemenitischen Morast begibt, ist unwahrscheinlich. Aber Saleh versucht, dem Konflikt eine überregionale strategische Bedeutung zu geben: etwas, was der Jemen als Land nicht hat.

Anfang August wurden die Jemen-Gespräche unter der Leitung der Uno in Kuwait, denen stets nur geringe Chancen gegeben wurden, auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Krieg, der auch während der Verhandlungen nur lokal schwächer wurde, droht nun wieder zu eskalieren.

Die Todesopferzahl erscheint, wenn man sie etwa mit Syrien vergleicht, mit 6500, davon etwa die Hälfte Zivilisten, relativ gering. Aber im Jemen trifft der Krieg eine Bevölkerung, die schon in Friedenszeiten am Rande der Existenz lebt. Im infrastrukturschwachen Land ist fast alles zusammengebrochen, Hunderttausende sind auf der Flucht, etwa 75 Prozent der Bevölkerung (geschätzte 26 Millionen) haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, für die Hälfte gibt es keine Ernährungssicherheit, mindestens 1,3 Millionen Kinder sind unterernährt.

Krankenhäuser als Ziel

Die von Saudi-Arabien angeführte Koalition, die im März 2015 zugunsten von Präsident Hadi eingriff – er war 2012 auf Saleh gefolgt -, wird immer wieder beschuldigt, gezielt Kliniken anzugreifen. Nach so einem Bombardement zog sich vorige Woche die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" aus sechs Spitälern zurück. Der Uno wird vorgeworfen, nicht laut genug gegen derartige Vorkommnisse zu protestieren: vielleicht weil Saudi-Arabien nach Kritik mit der Einstellung seiner Zahlungen gedroht hatte.

Dafür machte am 17. August die New York Times den Jemen zum Thema ihres Leitartikels mit dem Titel "Amerika ist Komplize des Schlachtens im Jemen". Denn die USA sind Teil der Saudi-geführten Koalition, wenngleich nicht direkt am Kampfgeschehen beteiligt. Washington reduzierte bereits im Juni seinen Beraterstab in der Militäroperation von 45 auf fünf, ein Zusammenhang mit den Vorwürfen wird jedoch bestritten. Auch in anderen Ländern sind Waffenlieferungen an Saudi-Arabien in Diskussion geraten.

Angriffe in Saudi-Arabien

Für Saudi-Arabien steht viel auf dem Spiel. Trotz zahlreicher Siegesmeldungen in der fast 17 Monate laufenden Intervention ist Sanaa, das die Huthis und Saleh seit September 2014 kontrollieren, nicht zurückerobert, und soeben sind die Huthis dabei, eine neue Regierung aufzustellen. Vor allem aber ist es Riad nicht gelungen, die Angriffe der Huthis über die Grenze auf saudi-arabisches Territorium abzustellen. Dort wurden Ortschaften zwangsevakuiert, was Ärger bei der lokalen Bevölkerung hervorruft.

De facto ist der Jemen nun wieder zweigeteilt, und Experten wie Bruce Riedel von der Brookings Institution können sich vorstellen, dass sich Saudi-Arabien damit letztlich abfinden könnte, wenn die materiellen und immateriellen Kosten für den Krieg zu hoch werden. Immerhin kontrolliert die Saudi-geführte Koalition jetzt wieder die für den Ölhandel wichtige Meerenge Bab al-Mandab zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden. (Gudrun Harrer, 23.8.2016)