Mehr als 30 prominente Ungarn aus Wissenschaft, Kultur und Geschäftsleben haben in den letzten Tagen ihre hohen staatlichen Auszeichnungen zurückgegeben. Sie handelten aus Empörung darüber, dass die Regierung Viktor Orbáns dem rechtsradikalen Publizisten Zsolt Bayer den Ungarischen Verdienstorden am Ritterkreuz verliehen hat.

"Nicht einmal virtuell möchte ich mich in derselben Gesellschaft befinden wie Zsolt Bayer", begründete András Heisler, der Vorsitzende des Verbandes der Jüdischen Kultusgemeinden (Mazsihisz), die Rückgabe seines 2011 erhaltenen Verdienstordens. Bayer ist ein Hassprediger, der im völkischen Antisemitismus der 1930er-Jahre schwelgt. Jüdische Intellektuelle würden wie eh und je in die Schwimmbäder der Ungarn rotzen, schrieb er einmal. Deshalb sei zu bedauern, dass bei den Massakern der Horthy-Milizen 1919/20 nicht mehr Juden und Linke in den Dünen der Puszta verscharrt wurden. Die Roma sind für Bayer wiederum hauptsächlich "Tiere", die "sich wie Tiere benehmen" und künftig "nicht mehr sein mögen".

Der Brachialpublizist veröffentlicht seine Hetzartikel vor allem in der Tageszeitung Magyar Hírlap, die einem von Orbán protegierten Oligarchen gehört. Seine öffentlichen Lesungen ziehen in den Provinzstädten hunderte Anhänger der Orbán-Partei Fidesz an. Da wettert er gegen die "Migrantschen" – abwertend für Flüchtlinge – mit ihren angeblich sündteuren Smartphones, wie sie sich ärmere Ungarn gar nicht würden leisten können.

Fidesz-Gründungsmitglied

Bayer rühmt sich gerne des Besitzes des Mitgliedsbuches Nr. 5, das ihn als Gründungsmitglied der Fidesz-Partei ausweist. Orbán hat sich von ihm noch nie distanziert. Tatsächlich ist er eine feste Säule im Propaganda-Apparat des Regierungschefs. Seine Ehrung erscheint insofern konsequent – bei vielen Ungarn hat sie dennoch Empörung ausgelöst.

Bis Montagnachmittag gaben mehr als 30 Persönlichkeiten früher erhaltene Orden zurück: neben Heisler unter anderen der ehemalige Minderheiten-Ombudsman Jenö Kaltenbach, der Mathematiker Bálint Tóth, die Märchenbuchautorin Aliz Mosonyi und zahlreiche Universitätsprofessoren und -professorinnen. Die Orbán-Partei zeigte sich unbeeindruckt. Bayer habe sich "Verdienste als Literat" erworben und sei deshalb zu Recht ausgezeichnet worden, meinte ein Fidesz-Sprecher am Montag. Viele Ungarn dürften das als weitere Verhöhnung aufgefasst haben. (Gregor Mayer aus Budapest, 22.8.2016)