Nach dem Einsatz rumänischer Polizisten versucht man bettelnde Roma mit drakonischen Strafen zu vertreiben.

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Bregenz – Bettelnde Menschen, zumeist aus Roma-Familien, die über Italien aus Rumänien gekommen sind, sind den meisten Vorarlberger Politikern und Politikerinnen schlicht übrig. Da Bettel- und Campierverbote bisher wenig ausgerichtet haben, greift man nun zu drakonischen Strafen. 38.000 Euro soll eine junge Frau bezahlen. "Oder drei Jahre Haft, das würde die Existenz der jungen Mutter zerstören", kritisiert die grüne Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli.

Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler (ÖVP) hingegen hält die Strafen für gerechtfertigt. Denn der Hardliner in der Landesregierung will nicht, dass "organisierte Bettler" ins Land kommen. Mit dieser Aussage in einem ORF-Interview gibt Schwärzler Vorurteilen, die längst widerlegt wurden, neue Nahrung.

Mit organisierten Formen des Bettelns sei man in Vorarlberg nicht konfrontiert, sagt die Polizei. Auch eine Studie der Fachhochschule Vorarlberg, in Auftrag gegeben von Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne), die Landesregierung und Öffentlichkeit und damit auch Schwärzler längst präsentiert wurde, kommt zu dem Schluss, dass hinter den in Vorarlberg präsenten Bettelnden keine kriminelle Organisation steht.

38.000 Euro Strafe für junge Mutter

Anlassfall für Schwärzlers Aussage ist die Kritik des Rechtsanwalts Anton Schäfer, der zahlreiche Notreisende in Verfahren vertritt, an den hohen Verwaltungsstrafen. So soll eine junge Frau, die wiederholt beim Betteln mit ihrem Baby erwischt wurde, 38.000 Euro Strafe bezahlen. Schäfer spricht von Vertreibungsaktionen der Behörden, die Höhe der Strafen sei rechtswidrig, weil unverhältnismäßig. Verwaltungsstrafen müssten dem Einkommen und der Schuld angemessen sein.

Für Schwärzler sind die Strafen gerechtfertigt. Der Landtag habe sich einstimmig gegen das Betteln mit Kleinkindern ausgesprochen; es sei eine bewusste Provokation, wenn man sich nicht an Gesetze halte und seine Strafen wochenlang nicht bezahle, sagt Schwärzler. Was vom Regierungspartner nicht unwidersprochen bleibt.

Grünen-Abgeordnete Tomaselli mahnt Behörden und Politik dazu, Vernunft walten zu lassen. Sie plädiert dafür, mit den Notreisenden wie in Graz gemeinsam Regeln über ihr Betteln und den Verkauf von Straßenzeitungen zu erarbeiten.

Beschwerde beim Höchstgericht läuft

Schäfer wiederum ist optimistisch, dass der Verfassungsgerichtshof, von Volksanwalt Florian Bachmayr-Heyda mit einer Beschwerde gegen das Bregenzer Bettelverbot befasst, die Vorarlberger Verbote zu Fall bringt, weil sie verfassungswidrig seien.

Der Volksanwalt hat sich durch seine Beschwerde harsche Kritik der FPÖ und auch von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) eingehandelt. An einen Ombudsmann, der streitbar die Einhaltung der Menschenrechte einfordert und gegen Alltagsrassismen auftritt, hat man sich im Landhaus noch nicht gewöhnt. (Jutta Berger, 22.8.2016)