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Wenn die Lieferkette unterbrochen wird, kann das rasch zu einem großen Problem werden. Diese schmerzliche Erfahrung muss gerade VW durchmachen.

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Wien – Der Golf ist für Volkswagen das Brot-und-Butter-Geschäft. Doch eine Auseinandersetzung mit zwei Zulieferunternehmen legt die Produktionslinien des wichtigsten Modells beim deutschen Autobauer lahm.

Im Volkswagen-Stammwerk Wolfsburg werden diese Woche keine Golf-Autos gebaut. Wegen des Streits sind bei VW in dieser Woche fast 30.000 Beschäftigte in sechs Werken von Produktionsunterbrechungen betroffen. Am stärksten werde die Golf-Produktion im Stammwerk Wolfsburg mit rund 10.000 Mitarbeitern in Mitleidenschaft gezogen, weil wegen des Streits Bauteile fehlen, sagte ein VW-Sprecher. Die Passat-Fertigung in Emden mit rund 7500 Beschäftigten steht bereits seit vergangener Woche still. Dort sind auch etwa 450 Beschäftigte der VW-Tochter Sitech betroffen, die seit einiger Zeit keine Bezüge für Autositze von dem Lieferanten Car Trim erhält. Sitech hat zudem für 500 Beschäftigte an seinem Hauptsitz in Wolfsburg Kurzarbeit beantragt.

Ab Montag ruhe zudem in Zwickau die Produktion von Golf und Passat. Dort seien rund 6000 Beschäftigte betroffen, sagte der VW-Sprecher. Als Folge des Streits mit den Lieferanten könnten auch Teile der Fahrwerkproduktion in Braunschweig mit etwa 1300 Mitarbeitern und des Motorenwerks in Salzgitter mit rund 1400 Beschäftigten nicht arbeiten. In Kassel seien wegen ausbleibender Getriebeteile des Lieferanten ES Automobilguss etwa 1500 Mitarbeiter betroffen.

Weltkonzern lahmgelegt

Die in Sachsen ansässigen Firmen Car Trim und ES Automobilguss, die beide zur Unternehmensgruppe Prevent gehören, haben die Lieferung von Sitzbezügen und Getriebeteilen an Volkswagen ausgesetzt. Obwohl eine einstweilige Verfügung des Braunschweiger Landgerichts die Firmen dazu verpflichtet hat, ihre vertraglichen Leistungen zu erfüllen, gibt es weiterhin keinen Nachschub.

In Deutschland rücken die kleinen Zulieferer in den Mittelpunkt des Interesses, die einen Weltkonzern lahmlegen können. Allzu viel ist über die Prevent-Gruppe nicht bekannt. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Slowenien, ist aber hauptsächlich in Bosnien mit Produktionsstandorten vertreten. Dort gilt Prevent auch als einer der größten Arbeitgeber, von bis zu 5000 Beschäftigten ist die Rede.

Geschäftsmann aus Bosnien

Haupteigentümer ist der bosnische Geschäftsmann und Ingenieur Nijaz Hastor. Sein Unternehmen fertigt laut Manager Magazin alles Mögliche an. Die Palette reicht von Textilien über Schutzkleidung bis zu Yachten. Hastor soll in leitender Position im Automobilwerk Tvornica Automobila Sarajevo (TAS) tätig gewesen sein, wo auch die VW-Modelle Käfer, Golf und Jetta gefertigt wurden.

Hastor verfügt auch über Firmen in Österreich. Der Automobilzulieferer Eybl musste 2008 Ausgleich anmelden, damals hat die Prevent-Gruppe Eybl diverse Unternehmen abgekauft. So gehört heute der Kremser Autotextilhersteller Eybl zu Prevent. Das Unternehmen stellt Stoffballen her und beliefert damit Autobauer wie VW und Audi. Im vergangenen Jahr hat Eybl einen Gewinn von 3,12 Millionen Euro erwirtschaftet.

Laut Firmenbuch verfügt Prevent über zwei weitere Unternehmen in Österreich. Da ist einmal die Erlenbruch TVG GmbH. Dahinter steckt ein früheres Eybl-Werk in Gmünd, das 2012 in den Konkurs geschlittert ist. Vor kurzem wurde der Konkursbeschluss aufgehoben. Schließlich gehört zur Prevent die Lederfabrik Mattighofen. Prevent hat die Fabrik, die Leder für Automobile und Möbel herstellt, nach deren Insolvenz 2011 übernommen.

Söhne führten Geschäft

Laut Bilanz 2015 wurde in Mattighofen ein Verlust von 15 Millionen Euro erwirtschaftet, Umsatz machte man keinen mehr – der Betrieb scheint also eingestellt. Bei Eybl und in Mattighofen war am Wochenende niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Erreicht hat der STANDARD Thomas Pohoralek, der laut Firmenbuch als Geschäftsführer der Erlenbruch TVG fungiert. Pohoralek sagt, dass er sich bereits vor Jahren aus dem Unternehmen zurückgezogen habe. Warum sein Name nicht gelöscht wurde, sei ihm unklar.

Er selbst kennt den Prevent-Eigentümer Nijaz Hastor und seine beiden Söhne, die lange Zeit das operative Geschäft in der Gruppe geführt haben, als "seriöse Unternehmer". Was genau der Grund für die Streitereien mit VW ist, kann er nicht sagen.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete, Auslöser des Konflikts sei eine von Volkswagen und der Tochter Porsche gekündigte Entwicklungskooperation mit Car Trim. Die Firma fordere deshalb Millionen. Einen Teil der Forderungen habe Car Trim an ES abgetreten, sodass auch diese Firma Ansprüche gegen VW geltend mache. Insgesamt gehe es um 58 Millionen Euro. Ein VW-Sprecher nannte am Sonntag keine Details, bezeichnete die Forderungen der Zulieferer aber als "nicht akzeptabel". (Reuters, szi, 21.8.2016)