Biologen um George Church bauen das Darmbakterium E. coli verändert nach. Durch die Modifikationen soll es sicherer werden: Es kann nur in der künstlichen Umwelt des Labors existieren.

Foto: Chris Bickel / Science

Boston/Wien – Ob es den Österreichern gefällt oder nicht: Die Industrie setzt immer mehr genetisch modifizierte Mikroben ein, um so verschiedenste Substanzen herzustellen. Begonnen hat das in den 1970er-Jahren, als man dem Genom des Bakteriums Escherichia coli ein menschliches Gen hinzufügte, um für Diabetiker Insulin zu produzieren.

Mittlerweile werden den Mikroben Dutzende von Genen eingebaut, die für die Herstellung von Opioiden, Wirkstoffen gegen Malaria oder Vanillearoma sorgen. Das bringt aber auch Sicherheitsprobleme mit sich: Was, wenn ein solches modifiziertes Bakterium, das Opiate produziert, aus dem Labor entkommt und sich in den Därmen von Menschen ausbreitet?

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"Die Firmen reden nicht gern darüber", sagt George Church, Harvard-Professor und einer der Pioniere der synthetischen Biologie. Den Vertretern dieses boomenden Forschungsfelds geht es längst nicht mehr darum, Organismen genetisch zu modifizieren, sondern darum, deren Genom neu zu schreiben, um sie zu "verbessern".

Einer der jüngsten Pläne von Church ist es, das Genom von E. coli beim Neuschreiben so zu modifizieren, dass es nicht nur gegen alle Viren resistent ist, sondern auch unmöglich aus dem Labor entkommen kann. Diese Supermikrobe wäre unter anderem genetisch so verändert, dass sie zum Überleben bestimmte künstliche Aminosäuren benötigt, die in der Natur nicht existieren. Das kühne Projekt besteht gentechnisch vor allem darin, die Anzahl der Codons (die 64 möglichen Dreierkombinationen aus A, T, G und C, den vier Buchstaben der DNA) von 64 auf 57 zu reduzieren, zumal es da einige Redundanzen gibt.

3,8 Prozent neue Basenpaare

Einen großen Schritt auf dem Weg zum künstlichen Superbakterium legten die Forscher um Church nun im Fachblatt "Science" vor: Sie unternahmen bereits 62.000 Veränderungen im Genom von E. coli – das entspricht immerhin 3,8 Prozent der Basenpaare des Darmbakteriums. Für rund 2200 Gene wurden die Neuschreibungen auch schon getestet: Es gab 13 tödliche Fehler, die aber bereits repariert wurden.

Es werde zwischen vier Monaten und vier Jahren dauern, bis man damit fertig sei, heißt es. Dann hätte man zwar nicht den ersten Organismus mit einem künstlichen Genom geschaffen. Das gelang nämlich kürzlich einem Team um Craig Venter. Doch jenes, an dem die Gruppe um Church arbeitet, ist um ein Vielfaches größer.

Church hat zudem längst schon wieder kühnere Pläne: Er will mit Kollegen demnächst das menschliche Genom nachbauen. (Klaus Taschwer, 20.8.2016)