"Wenn man wenig Budget zur Verfügung hat, muss man nicht unbedingt billig und belanglos bauen." Cassia Coop Trainig Center auf Sumatra.

Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN

"Unsere Philosophie ist: Je weniger Geld man hat, desto mehr Menschen muss man damit erreichen." Yashar Hanstad und Andreas Gjertsen.

Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN
Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN
Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN
Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN
Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN
Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN
Foto: Pasi Aalto / pasiaalto; TYIN

Es riecht nach Zimt und Weihnachten. Unter dem großen Durianbaum im Atrium steht ein Wasserbüffel, pausiert für ein Stündchen im Schatten. Er wird hier als Lasttier eingesetzt und muss Tag für Tag tonnenweise Baum- und Rindenmaterial hinter sich herziehen. In der Regel wird das süßlich duftende Gewürz gemahlen oder in küchengerecht geschnittenen Stangen in die ganze Welt verschifft. In diesem Fall jedoch wurde der nachwachsende Rohstoff zu Stützen und Dachlatten verarbeitet. Ein Teil davon dient als Sichtschutz in den Öffnungen des dicken Lehmziegelmauerwerks.

Die Zimtwälder in der Region Kerinci zählen zu den größten und wichtigsten Gewürzregionen Sumatras. Insgesamt deckt die Zimtproduktion auf der indonesischen Insel rund 85 Prozent des weltweiten Bedarfs ab. Allerdings sind viele Zimtbauern unterbezahlt und arbeiten unter schlechten, bisweilen gefährlichen Bedingungen. Mit dem Cassia Coop Training Center, einer Einrichtung des französischen Unternehmers Patrick Barthelemy, soll damit Schluss sein. Hier bekommen die Bauern eine fachliche Ausbildung, Gesundheitsvorsorge und Zugang zu Schule und Weiterbildung.

Errichtet wurde die Zimtschule im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts. Das norwegische Architekturbüro Tyin Tegnestue, das für die gesamte Abwicklung des Projekts verantwortlich ist, zeichnete nicht nur die Pläne, sondern reiste mit all seinen Mitarbeitern vor Ort, um den Bau zu managen und auf der Baustelle selbst mit Hand anzulegen. Insgesamt waren mehr als 70 Personen, darunter Facharbeiter und Laien, am Bau beteiligt. Von der Grundsteinlegung bis zur Eröffnung vergingen nicht einmal zwei Monate.

Sinnlicher Pragmatismus

"Architektur auf dem Papier interessiert uns nicht", sagt Andreas Grøntvedt Gjertsen. "Wir wollen das Bauen in der Praxis verstehen. Wir wollen so einfach und so klar planen, dass wir in der Lage sind, die Pläne eigenhändig in die Realität umzusetzen. Das klingt einerseits sehr pragmatisch, ist andererseits aber auch eine richtig erdende, ja fast schon sinnliche Erfahrung, die den meisten Architekten vorenthalten bleibt."

Gemeinsam mit seinem Partner Yashar Hanstad leitet der 35-Jährige das kleine Architekturstudio Tyin Tegnestue. Zum Portfolio des 2008 gegründeten Trondheimer Büros zählen Spielplätze, Badehäuser, Bibliotheken, Buswartehäuschen, Waisenhäuser, schulische Einrichtungen sowie Interventionen im öffentlichen Raum. Die meisten davon wurden an der Westküste Norwegens sowie in Indonesien und Thailand realisiert. Meist handelt es sich um exotische Standorte fernab von Großstadt und Infrastruktur.

"Wir haben nie geplant, im Entwicklungsbereich tätig zu sein", sagt Gjertsen. "Das hat sich eher zufällig ergeben, weil uns vor Jahren einmal Freunde von Freunden angefragt haben, ob wir sie nicht bei einem Projekt in Thailand unterstützen wollen. Der Rest war Mundpropaganda. Man muss einfach nur aufmerksam sein und sich mit offenen Augen durch die Welt treiben lassen. Am Ende poppt immer wieder etwas Neues auf."

Nach zwei Dutzend realisierten Projekten, mehr als 60 Vorträgen auf allen Kontinenten und Hunderten internationalen Publikationen zählt Tyin Tegnestue, das in einem nur 25 Quadratmeter großen Institutszimmer an der Norwegischen Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) in Trondheim eingemietet ist, zu den bekanntesten Architekturbüros der Welt. Hinzu kommen zahlreiche Preise wie etwa der European Prize for Architecture 2012, der Global Award for Sustainable Architecture 2012, der Green Planet Award 2013 sowie Nominierungen zum Brick Award, zum Aga-Khan-Preis und zum Mies van der Rohe Award.

"Wenn man wenig Budget zur Verfügung hat, muss man nicht unbedingt billig und belanglos bauen", sagt Gjertsen. "Ich nehme an, es ist unser überaus anspruchsvoller Low-Budget-Ansatz, der Schönheit und Funktionalität vereint und der die Leute und die Medien berührt." Die 600 Quadratmeter große Cassia-Coop-Zimtschule auf Sumatra kostete umgerechnet rund 30.000 Euro. Andere Projekte wie etwa ein Waisenhaus im thailändischen Ban Tha Song Yang oder ein Sport- und Spielplatz im Bangkoker Slumviertel Khlong Toei belaufen sich oft nur auf einen Bruchteil davon.

"Wir sind Ästhetik-Nerds"

"Unsere Philosophie ist: Je weniger Geld man hat, desto mehr Menschen muss man damit erreichen", sagt der junge NTNU-Professor mit selbst bedrucktem T-Shirt, Shorts und Flip-Flops an den Füßen. Das Konzept des sich multiplizierenden Fast-Nichts scheint aufzugehen: "Ja, um ein paar Tausend Euro kann man eine Architektur machen, über die sogar Wallpaper, Elle Decoration und das Forbes Magazine schreiben. Ist das nicht großartig?"

Finanziert werden die Projekte übrigens von den Bauherren selbst sowie über öffentliche Förderungen. Sponsorengelder sind tabu. "In den ersten Jahren haben wir mit der Privatwirtschaft schlechte Erfahrungen gemacht. Also haben wir beschlossen, unabhängig zu sein und eine Architektur schaffen, die den Menschen und nicht der Werbung dient. Das fühlt sich irgendwie besser an."

Die Mission, die alle Projekte miteinander verbindet: Die Architekturkultur muss wieder besser werden. "Eine hässliche Umwelt ist das Schlimmste, was wir der nächsten Generation überlassen können", so Gjertsen. "Dieser Gefahr sind sich leider nur die Wenigsten bewusst. Aber zum Glück sind wir Geeks, Nerds, absolute Fanatiker, wenn es darum geht, Schönheit im Prozess und im Resultat abzubilden. Ich kann nicht anders. Ich bin süchtig nach dem Reiz des Ästhetischen, des sozial Nachhaltigen, des rundum Beglückenden. Das klingt jetzt echt kitschig, oder?"

Die nächsten Monate verbringen Andreas Gjertsen und Yashar Hanstad am Uni-Campus in Trondheim. "Wir machen jetzt ein paar Einfamilienhausprojekte, die wir in Zusammenarbeit mit den Familien in Eigenbau errichten werden. Nach all den Jahren im warmen, exotischen Klima Asiens wird's endlich mal Zeit, dass wir uns auch mit den klimatischen Bedingungen und den baulichen Anforderungen bei uns zu Hause auseinandersetzen." Doch die Ferne lässt nicht lange auf sich warten. In der Pipeline befinden sich ein Kultur- und Ausbildungszentrum in Chiapas (Mexiko) sowie ein Community-Center in der Nähe von Hiroshima. (Wojciech Czaja, 20.8.2016)