Man kann Ameisen nicht nur essen, man kann sie auch für sich kochen lassen. Wenn Sie das nächste Mal wandern gehen, nehmen Sie ein Fischfilet mit. Am ersten größeren Ameisenhügel können Sie Ihre Mitwanderer dann mit Alpen-Ceviche statt der immer gleichen Hartwurst oder dem Müsliriegel beeindrucken.

Legen Sie das rohe Fischfilet einfach pro Seite 30 Sekunden auf den Haufen und lassen Sie es von den Ameisen attackieren. Die Säure, die die Tiere dabei verspritzen – die Ameisensäure –, ist wunderbar geeignet, um den Fisch zu garen. Das Endergebnis hat eine ähnliche Konsistenz und Optik wie Ceviche, mit Zitrussaft (bzw. Zitrussäure) gegarter Fisch, sieht dank Nadeln und hängengebliebener Ameisen prächtig aus und schmeckt kräftig und erfrischend nach Wald und Ameisensäure – weniger süß und etwas saurer als Limetten.

Foto: david payr

Verdanken tue ich diese Erkenntnis der Feldküche-Waldwerkstatt. Alljährlich im Sommer laden die Feldküche-Menschen und die Bundesforste an einen genauso abgeschiedenen wie prächtig schönen Ort und lassen dort Köche, Künstler, Handwerker und Journalisten ein paar Tage lang in der Wildnis spielen – eine Art Pfadfinderlager für kulinarische Exzentriker. Dieses Jahr fand der Spaß auf dem Dachstein statt, in einem ehemaligen k. u. k. Militärlager am Berg aus roten Holzhütten, das nun bald in eine Luxuslodge umgebaut werden soll.

Foto: david payr

Philip Rachinger, Koch vom Mühltalhof in Oberösterreich, hat köstliche Krähen kredenzt (stellen Sie sich köstlich-große Tauben vor, bloß mit hässlicheren Beinen), Milena Broger, Köchin aus Vorarlberg, hat Ameisen frittiert und Hirsch im Edloch geschmort. Der Christoph Fink und ich wiederum sind an einem dieser Tage an einem mächtigen Ameisenhaufen vorbeispaziert, im Eiskasten lagen noch ein paar Fischfilets. Am nächsten Tag haben wir das Alpen-Ceviche verkostet und für gut befunden.

Foto: Tobias Müller
Foto: david payr

Ein etwas alltagstauglicheres, fast genauso leichtes Lagerfeuerrezept hat sich aus meinem Erdlochgar-Workshop ergeben: das verbrannte Grubenkraut. Es reiht sich wunderbar ein in die lange Liste der "Gemüse, die verbrannt besser schmecken", und kommt ursprünglich aus der Küche eines weit entfernten Restaurants. Das "Master" in Sydney, ein herrliches chinesisch-australisches Crossover-Restaurant, serviert ein außen komplett verkohltes, innen fast schmelzend weiches, karamellisiert-rauchiges Krauthäuptel und übergießt den Wonneproppen noch ordentlich mit Fischsauce-Butter für den extra Umami-Kick – ein großer Spaß und Genuss. Nach dem letztjährigen Erfolg der "Drecksau" durfte ich heuer bei der Waldwerkstatt mit einer Gruppe Interessierter wieder einen Erdofen bauen; ich habe die Gelegenheit genutzt, um das Gericht alpin nachzukochen.

Foto: ©Ian Ehm//friendship.is

Ich habe das Kraut im klassischen Ofen vorgegart und dann im Lagerfeuer beziehungsweise auf der Glut ordentlich verbrannt. Serviert habe ich es am Berg ganz simpel geviertelt, mit Salz und Sauerrahm (sehr gut), beim Zweitversuch in der Ebene kam noch Sardellenbutter drüber. Schon pur ist das Kraut dank Feuer und Dämpfen im eigenen Saft sehr würzig und geschmacksintensiv, ein wenig Säure beziehungsweise die Sardellenbutter sorgen für den letzten Schliff. Das Gericht dauert, vom aktiven Zeitaufwand her, keine 15 Minuten und ist eine definitive Bereicherung von am Ast gegrillter Wurst und anderen Feuerklassikern – ich werde es sicher wiederholen. Der Herr Fink hat hingegen beschlossen, sich für seine Küche einen Ameisenhaufen zuzulegen.

Die Waldwerkstätte geht noch bis Anfang September an anderen Orten in Österreich weiter, hier können diverse Workshops dabei gebucht werden.

Verbranntes Grubenkraut

Kaufen Sie wunderschöne, unversehrte, am besten junge Krauthäuptel und wickeln Sie jedes Häuptel ordentlich mit Alufolie ein. Legen Sie das eingepackte Kraut ins Backrohr und backen Sie es bei etwa 200 Grad für ungefähr zwei Stunden. Das Kraut soll dabei im eigenen Saft dämpfen und am Ende wunderbar weich sein, wenn Sie mit einem spitzen Messer hineinstechen. Packen Sie es aus und lassen Sie es etwas auskühlen. Das Kraut kann auch mehrere Stunden im Voraus gegart und dann später zum Feuer mitgenommen werden.

Bereiten Sie die Fischsauce-Butter zu: Lassen Sie die Butter weich werden (Zimmertemperatur), gießen Sie Fischsauce darüber und schlagen Sie alles mit einem Schneebesen oder Mixer, bis es flaumig und gut vermischt ist. Für 100 Gramm Butter reichen je nach Fischsauce-Liebe zwei bis vier Esslöffel Sauce.

Werfen Sie das ganze Kraut, so wie es ist, in die Flammen oder auf die heiße Glut. Wenden Sie es ein wenig, so lange, bis es rundherum komplett verkohlt ist.

Foto: ©Ian Ehm//friendship.is

In der Zwischenzeit erhitzen Sie die Butter leicht und bringen sie zum Schmelzen. Holen Sie das Kraut aus dem Feuer – am besten mit einer Schaufel oder Ähnlichem –, vierteln Sie es, entfernen Sie den Strunk und gießen Sie die Fischsauce- beziehungsweise Sardellenbutter darüber.

Servieren Sie Ihr übergossenes Kraut mit der verbrannte Seite nach unten und lassen Sie es Ihre Gäste selbst zerlegen. Es passt gut zu Gegrilltem, ist aber auch ganz allein für sich ein Genuss.

Foto: ©Ian Ehm//friendship.is

Ein paar Worte zu den Ameisen und den Krähen: Wenn Sie das Alpen-Ceviche nachkochen wollen, achten Sie darauf, mit großen, dicken Waldameisen zu arbeiten. Mit den mickrigen Exemplaren, die sich üblicherweise in Haushaltsküchen tummeln, wird das eher nicht funktionieren. Und Krähen sind seit vergangenem Jahr in Kärnten und Oberösterreich offiziell für die Jagd freigegeben, weil es viel zu viele von ihnen gibt und sie zu einer Plage für die Landwirtschaft geworden sind. Unsere wurden mit Schrot erlegt. Anfragen für Krähen richten Sie am besten direkt an Ihren lokalen Jäger. (Tobias Müller, 21.8.2016)

Foto: ©Ian Ehm//friendship.is