Picassos kubistisches Meisterwerk "Femme assise" (1909) erzielte mit 63,63 Mio. Dollar den höchsten Zuschlag seit Jänner.

Foto: Sotheby's

Vergleicht man die Entwicklung auf dem internationalen Kunstmarkt in den vergangenen Monaten mit jener des Vorjahres, dann fällt das Ergebnis eindeutiger aus, als es der Branche lieb sein kann. Bis inklusive Juni brach der seit Jahresanfang erwirtschaftete Umsatz teils um mehr als 30 Prozent ein. Damit setzt sich der 2015 und erstmals nach Jahren des Wachstums noch in bescheidenem Umfang von sieben Prozent attestierte Rückgang drastisch fort.

Für 2015 wies der im Frühjahr vorgelegte Kunstmarktbericht der Tefaf (The European Fine Art Foundation) einen global erzielten Umsatz von 63,8 Milliarden Dollar aus. Würde der aktuelle Trend in den nächsten Monaten anhalten, könnte der Vergleichswert 2016 auf unter 45 Milliarden schrumpfen. Aus gegenwärtiger Sicht mag dies noch in die Kategorie Kaffeesudleserei fallen.

Die seit Anfang des Jahres in New York und London notierten Topauktionszuschläge zeugen jedenfalls von Zurückhaltung (siehe Tabellen).

Foto: Der Standard
Foto: Der Standard

2015 setzten Pablo Picassos Les femmes d'Alger (Christie's, 179,36 Millionen Dollar) und Alberto Giacomettis L'homme au doigt (Christie's, 141,28 Mio. Dollar) zum Halbjahr neue Bestmarken im dreistelligen Millionenbereich, die aktuell durch Abwesenheit glänzen. Den höchsten seit Anfang dieses Jahres erteilten Zuschlag heimste Picassos kubistisches Meisterwerk Femme assise von 1909 im Juni bei Sotheby's in London mit 43,27 Millionen Pfund oder umgerechnet 63,63 Millionen Dollar ein. Ob die New Yorker Rekordmaschinerie im November darüber hinausreichende Höchstwerte abwirft, gilt es abzuwarten.

Rückgang in den USA

Gesichert sind hingegen die für die Marktsituation als repräsentativ geltenden und jüngst von den Giganten Christie's und Sotheby's verlautbarten Bilanzen. Als Auktionshäuser unterliegen sie über die Veröffentlichung von Versteigerungsergebnissen einer größeren Transparenz als Kunsthändler und Galeristen, die keinen Einblick in ihre Bücher gewähren, wobei Christie's als Privatunternehmen – und damit anders als der börsennotierte Kontrahent Sotheby's, bei dem der Nettogewinn nach zwei Quartalen bei 63,1 Millionen Dollar (2015: 72,8 Mio.) liegt – nur einige Kennzahlen veröffentlicht, die wiederum keinen Rückschluss auf tatsächliche Gewinne oder Verluste ermöglichen.

Laut Christie's belief sich der in den weltweit verteilten Niederlassungen eingespielte Umsatz auf drei Milliarden Dollar und lag damit um knapp 30 Prozent unter dem Wert von 4,5 Milliarden im Vergleichszeitraum 2015. Darin inkludiert sind auch Kunstwerke, für die man den Verkäufern im Vorfeld und unabhängig vom Verlauf der Auktion teils über Dritte Erlöse garantiert hatte, die dann nicht realisiert werden konnten. Solche Arbeiten blieben zwar unverkauft, wechselten jedoch in den Besitz von Christie's, wobei die zugesicherte und an den Einbringer ausbezahlte Summe im Tagesumsatz erfasst wird.

Manches harrt nun des nächsten Auktionsauftritts, das Gros wird hinter den Kulissen über Private Sales zu teils niedrigeren Werten abgestoßen. Obwohl die Anzahl der garantierten Lose branchenweit zuletzt überschaubar blieb, ist deren Wertvolumen von Relevanz, handelt es sich doch um Kunstwerke im oberen Preissegment. Da der Markt exakt dort an einer Verknappung der Ware laboriert, sind Auktionshäuser dieses Risiko zu tragen bereit.

Bei Christie's summierten sich die Verkäufe im Segment Private Sales, darunter der 160-Millionen-Deal des Rothschild'schen Gemäldepaars (Louvre/Rijksmuseum) im Februar, auf knapp 464 Millionen Dollar. Noch im vergangenen Jahr lag dieser Wert bei 515 Millionen Dollar. Am deutlichsten zeigt sich der Rückgang bei Umsätzen aus Auktionen, für die Christie's bis Ende Juni 2,5 Milliarden Dollar (-37,5 Prozent, 2015: vier Mrd.) und Sotheby's 2,36 Milliarden (-25,3 Prozent, 2015: 3,16 Mrd.) in die Bücher notierte. Die meisten Einbußen wurden in Amerika verzeichnet, bei Christie's halbierte sich der Wert auf 1,1 Milliarden Dollar (2015: 2,2 Mrd.), bei Sotheby's schrumpfte er um 36 Prozent auf 868,82 Millionen (2015: 1,36 Mrd.).

Der geografischen Aufschlüsselung zufolge spielte Christie's in Europa, dem Mittleren Osten, Russland und Indien (EMERI) weitere 1,1 Milliarden Dollar ein. Ein nur auf Europa beschränkter Wert, der einen direkten Vergleich mit Sotheby's (1,03 Mrd. Dollar; 2015: 1,41 Mrd. Dollar) ermöglicht hätte, war auch auf Anfrage nicht zu erhalten.

Zuwächse in Asien

Für die Geschäftsregion Asien veröffentlichte Christie's wiederum keinen Gesamtwert, sondern nur Zahlen aus Hongkong, wo der Handel mit 369,3 Millionen Dollar niedriger zu Buche schlug als im Vorjahr (444,1 Mio.). Dort hat Kontrahent Sotheby's mit 458 über Auktionen eingespielten Dollar nicht nur die Nase vorn, sondern konnte einen deutlichen Zuwachs gegenüber 2015 (382,8 Mio.) verbuchen. Ihre Kauflust stellen asiatische Sammler aber auch in London und New York unter Beweis. Insgesamt zeichneten sie laut Sotheby's für acht der 20 seit Jahresbeginn verzeichneten Höchstwerte verantwortlich. (Olga Kronsteiner, 22.8.2016)