Die Vermietung von Einfamilienhäusern ist rechtlich schwierig.

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Wolfgang Amann: "Die Wohnbauförderung sollte viel stärker in Richtung Verdichtung auch im ländlichen Raum gehen."

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Leerstehende geförderte Wohnungen auf dem Land sollten abverkauft werden, sagt Wohnbauforscher Wolfgang Amann. Die Zersiedelung ist für ihn eine "Katastrophe ", in leeren Einfamilienhäusern sieht er eine "Zeitbombe ".

STANDARD: In den Ballungsräumen herrscht starker Zuzug, die Preise gehen nach oben, Wohnungen fehlen. In Landgemeinden stehen hingegen sogar viele geförderte Wohnungen leer. Woran liegt das?

Amann: In vielen Flächenbundesländern steht die Entwicklung des ländlichen Raumes ganz oben auf der Prioritätenliste der Politiker. Kritische Aspekte passen da schlecht ins Bild. Ich möchte betonen, dass es legitim und rechtlich völlig gedeckt ist, mit Mitteln der Wohnbauförderung Regionalpolitik zu machen. Aber was den geförderten Wohnbau betrifft, gab es in einzelnen ländlichen Regionen eine gewisse Überproduktion. Die Strategie, quasi flächendeckend geförderten mehrgeschoßigen Wohnbau anzubieten, war zwar durchaus sinnvoll, heute sollte man sich aber genau anschauen, ob dieses Programm nicht als abgeschlossen angesehen werden sollte. Wir haben in fast allen Gemeinden Mehrwohnungsbauten und eine nicht unerhebliche Leerstandsproblematik mit über 1000 leerstehenden Wohnungen allein in Niederösterreich.

STANDARD: Gibt es dagegen Vorschläge Ihrerseits?

Amann: Mein Vorschlag ist, dass man den Gemeinnützigen den Verkauf ihrer Wohnungen an Private unter dem Buchwert erlaubt oder auch eine Vermietung unterhalb der kostendeckenden Mieten. Dafür müsste man das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) ändern. Denn in strukturschwachen Regionen liegt nach zehn Jahren, wenn eine Kaufoption schlagend wird, oft der Buchwert einer Wohnung über dem Marktwert. Das heißt, die Genossenschaft kann den Preis, den sie laut WGG verlangen muss, gar nicht lukrieren. Mit einem Verkauf unter Buchwert wäre ein permanenter Verlustbringer weg – denn jeder Leerstand kostet Geld.

STANDARD: Das dahinterstehende Problem ist wohl, dass Einfamilienhäuser auf dem Land oft sehr günstig zu haben sind und der mehrgeschoßige Wohnbau schon rein preislich damit nicht konkurrieren kann.

Amann: Absolut. Mit dem Kostendeckungsprinzip und dem Faktum, dass sie mit Ausschreibung und gewerblichen Dienstleistungen bauen müssen, kommen Gemeinnützige kostenmäßig mit Einfamilienhäusern kaum mit. Im ländlichen Raum – also in kleineren Gemeinden – baut derjenige, der einigermaßen gut finanziell ausgestattet ist, ohnehin selbst oder übernimmt das elterliche Haus bzw. baut daran.

STANDARD: Und das dann oft ebenfalls mit Förderung.

Amann: Ja, wobei sich da schon etwas verändert hat. Der Förderungsdurchsatz, also der Prozentsatz jener Einfamilienhäuser, die mit Förderung errichtet werden, ist massiv zurückgegangen. Noch vor einigen Jahren lag er bei 80 bis 90 Prozent, mittlerweile liegt er deutlich unter 30 Prozent. Das heißt, die Mehrzahl der Eigenheime wird ohne Förderung gebaut. Und die Baubewilligungen sind sehr stabil. Der Verzicht auf die Wohnbauförderung führt also nicht zu einem Rückgang des Neubaus. Man könnte es auch so sehen, dass damit erst recht bewiesen ist, dass die Förderung nicht notwendig war, um den Neubau von Eigenheimen aufrechtzuerhalten. Aber natürlich sind die ganzen Lenkungseffekte weg. Wir haben da viel zu lange zugeschaut, wie die nichterneuerbare Ressource Landschaft verbraucht wird. Es gibt einige Regionen, zum Beispiel mein Heimatbundesland Vorarlberg, wo nahezu jeder Fleck zugepflastert wird. Das ist katastrophal. Diese baulichen Strukturen stehen quasi auf Dauer in der Landschaft, der Rückbau ist eine fast nicht bewältigbare Aufgabe. Dieser Prozess ist kaum umkehrbar, das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung. Die Wohnbauförderung sollte viel stärker in Richtung Verdichtung auch im ländlichen Raum gehen.

STANDARD: Wie groß ist das Problem leerstehender Einfamilienhäuser?

Amann: Das ist ganz eindeutig eine tickende Zeitbombe. Es gibt eine zunehmende Zahl von Häusern, deren Errichtergeneration nicht mehr lebt oder schon in ein Heim oder eine kleinere Wohnung umgezogen ist. Der Erbe wohnt auch nicht dort, sondern in der Stadt, kommt alle zwei Monate vorbei, um den Rasen zu mähen und die Fenster zu putzen. Noch ist es nicht so oft sichtbar, dass so ein großer Anteil an Häusern leersteht. Aber wenn das zunimmt, die Zahl steigt, wird das ein erhebliches Problem. Das ist auch kein Käufermarkt, die Häuser sind oft kaum verkäuflich, oft ist kaum mehr als der Grundstückspreis drin.

STANDARD: Ist den Gemeinden das Problem in ausreichendem Maß bewusst?

Amann: Die Gemeinden kämpfen sehr darum, Hauptwohnsitzer zu bekommen, weil sie dann mehr Geld aus dem Finanzausgleich kriegen. An diese Einfamilienhäuser kommt man aber nicht ran. Auch wenn die nur sehr selten benützt werden, tun sich die Eigentümer im Regelfall das Vermieten nicht an. Das Mietniveau ist sehr niedrig, und rechtlich ist das schwierig. Für einen Privaten ist das definitiv kein Businesscase.

STANDARD: Wenn die Raumordnung strenger gehandhabt wird, wäre dann auch freifinanzierter Wohnbau auf dem Land möglich?

Amann: Nicht in Kleingemeinden, aber für die Mittelstädte wäre das schon eine Alternative. Da sind viele Leute so finanzstark, dass sie in Eigentum gehen wollen, und gleichzeitig ist es für diese Städte sicherlich strukturell nicht wünschenswert, wenn alle in Richtung Eigenheim gedrängt werden. Um das ganze Thema zu begreifen, muss man aber ein wenig zurückschauen. In der Nachkriegszeit war die ÖVP die Advokatin für Eigentum, die SPÖ jene für Miete. 1994 hat man mit dem Mietkaufmodell eine quasi salomonische Lösung gefunden, bei der beide Seiten etwas gekriegt haben, man also die zwei Positionen miteinander verquickt hat. Eine der Folgen des Modells war aber, dass Eigentumswohnungsförderung damit mehr oder weniger tot war. Seither ist die Zahl der geförderten Eigentumswohnungen massiv zurückgegangen. Dabei hätte das interessante Perspektiven. Speziell im urbanen Raum könnte man mit geförderten Eigentumswohnungen, wenn diese in relevanter Zahl auf den Markt kommen, den gewerblichen Immobilienmarkt beeinflussen. Das wäre also ein Instrument, um die davongaloppierenden Preise etwas einzufangen. (21.8.2016)