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Im Herbst 2015 wurden Flüchtlinge am Grenzübergang Nickelsdorf noch durchgewunken. Tritt die Notverordnung in Kraft, heißt es "stopp": Die Einreise wird dann verweigert.

Foto: Reuters/Heinz-Peter Bader

Wien – Im schwarz geführten Innenministerium wird auf die schnelle Aktivierung der geplanten Asyl-Notverordnung gedrängt. Denn die Obergrenze von 37.500 Asylanträgen, auf die sich die Regierung geeinigt hat, rückt näher – und könnte eher früher als später überschritten sein. Offiziell wird die aktuelle Zahl, die für das Erreichen des Limits relevant ist, mit knapp mehr als 24.000 angegeben. Das sind jene Flüchtlinge, die im Jahr 2016 zum Asylverfahren zugelassen wurden.

Nur ein Teil der Wahrheit

Diese 24.000 bilden aber nur einen Teil der Wahrheit ab. Denn von den bisher rund 28.800 gestellten Asylanträgen in diesem Jahr (mit Stichtag 31. Juli) wurden laut Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck erst 15.000 zum Asylverfahren zugelassen. Dazu kommen noch rund 9.000 Flüchtlinge, die im Vorjahr nach Österreich kamen, deren Asylantrag aber erst heuer zum Verfahren zugelassen wurde.

Wird ein erheblicher Teil jener knapp mehr als 13.000 Asylanträge – die heuer bereits gestellt, aber noch geprüft werden müssen – zum Asylverfahren zugelassen, wäre die Obergrenze schon in den kommenden Wochen erreicht. "Je länger man mit der Notverordnung wartet, desto größer wird der Rückstau an Asylanträgen", sagte Grundböck zum STANDARD.

Denn im Innenministerium wird damit gerechnet, dass ein Großteil jener 13.000 Verfahren noch heuer gestartet werden muss – und damit in die Rechnung der Regierung für die Obergrenze fällt. Der Grund ist folgender: In rund 11.000 Fällen wird geprüft, ob gemäß der Dublin-Vereinbarung nicht doch ein anderes Land für die Abwicklung des Asylverfahrens zuständig ist. Schließlich sollte der EU-Staat, in den der Asylwerber nachweislich zuerst eingereist ist, das Verfahren durchführen.

Nur 911 Dublin-Rückführungen

Nach Ungarn finden aber "faktisch keine Rückführungen statt", sagt Grundböck. Ein Großteil dieser Fälle habe aber "Ungarn-Bezug". Nimmt das betroffene Land den Flüchtling nicht zurück, weil es kein entsprechendes Abkommen gibt, muss Österreich nach sechs Monaten das Asylverfahren eröffnen. Zur Illustration: Im ersten Halbjahr 2016 gab es nur 911 Dublin-Rückführungen.

Rund 6.300 Anträge im Juni und Juli

Zu den Altfällen kommen laufend neue Asylanträge. Es sind aber deutlich weniger als im Vorjahr: Im Juni waren es 3.199 Anträge – ein Rückgang von 58 Prozent. Im Juli waren es 3074 (minus 65 Prozent).

Um die Asylzahlen massiv zu reduzieren, soll laut Innenministerium mit der Notverordnung geltendes EU-Recht – die Verfahrensrichtlinie – "nicht mehr anzuwenden sein". Dann soll Flüchtlingen an den Grenzen die Einreise verweigert werden, auch wenn sie einen Asylantrag stellen wollen. Das umzusetzen, sei auch mit mehr Personal an den Grenzen verbunden.

Ausnahmen soll es für Angehörige von Flüchtlingen in Österreich geben – oder wenn dem Flüchtling etwa in Ungarn Gefahr droht. Grundböck: "Davon ist aber nicht zwingend auszugehen." Nimmt Ungarn die zurückgewiesenen Flüchtlinge nicht zurück, könnten Grenzlager drohen.

Die betroffenen Landesverwaltungsgerichte, die für Beschwerden bei Zurückweisungen an den Grenzen zuständig sind, bereiten sich schon auf die Notverordnung vor: In Graz ist laut "Kleiner Zeitung" von 4.000 bis 5.000 Fällen die Rede.

Nur illegal Eingereiste mit Asyl-Chancen

Kommt ein Flüchtling nach Inkrafttreten der Notverordnung illegal nach Österreich und stellt er hier einen Asylantrag, kann er bis zu zwei Wochen in einem Polizeianhaltezentrum untergebracht werden. Ist nach einer Prüfung eine Zurückschiebung fremdenpolizeilich nicht möglich, müsse laut Grundböck das Verfahren in Österreich durchgeführt werden. (David Krutzler, 17.8.2016)