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Schulärztinnen und Schulärzte haben derzeit nur eine beratende Funktion und sind nicht an der Schule stationiert. Nun gibt es Überlegungen, die medizinische Versorgung an Schulen anders zu organisieren.

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Wien – Kollektives Ausziehen bis auf die Unterwäsche, Eintreten ins "Schularztkammerl", wo schon der "Herr Doktor" im weißen Kittel wartete, um dann zur Vermessung der Schülerinnen zu schreiten, die Geradlinigkeit der Wirbelsäule zu kontrollieren, das Gewicht festzustellen und ein paar Worte zum allgemeinen Befinden zu wechseln: Viel größer ist das Einsatzgebiet der Schulärztinnen und Schulärzte auch heute nicht. Und dementsprechend wenig Hilfe sind sie bei der Betreuung chronisch kranker Kinder im Schulalltag. Denn sie sind in der Regel schlicht nicht da, wenn etwas passiert. Die Lehrerinnen und Lehrer aber schon.

Lehrer auf sich gestellt

Diese bewegen sich mitunter in juristisch heiklen Konstellationen, wenn sie einem der mehr als 190.000 chronisch kranken Kinder etwa mit Asthma, Allergien oder Diabetes in der Schule helfen. Denn die Amtshaftung greift nur, wenn medizinisch-pflegerische Unterstützung geleistet wird, die Laien zumutbar ist, zum Beispiel Tablettengabe. Was darüber hinaus gemacht wird, gilt als freiwillige Leistung, für die im Schadensfall die Republik nicht haftet. Die Lehrergewerkschaft forderte daher im STANDARD eine bessere Absicherung der helfenden Pädagoginnen und Pädagogen. Bildungs- und Gesundheitsministerium arbeiten auch bereits an einer Lösung, "um die Lehrerinnen und Lehrer besser zu schützen".

Nichtsdestoweniger bleibt die Frage, wie eine angemessene medizinische Versorgung der Kinder in der Schule im Interesse aller Beteiligten zu organisieren wäre.

Gesundheitsbildung

Die Juristin und Psychotherapeutin Rotraud Perner plädiert im STANDARD-Gespräch für eine "Residenzpflicht für Schulärztinnen und Schulärzte in ihrer Schule". Außerdem sollten sie auch unterrichten, meint die emeritierte Uniprofessorin für Prävention und Gesundheitskommunikation. Zumal es – nicht nur im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma – immer wichtiger werde, etwa Wissen über Ernährung und Bewegung, aber auch allgemeine Informationen zum kindlichen Umgang mit Gesundheit und Krankheit in der Schule zu vermitteln.

Ministerium überdenkt Struktur

Im Bildungsministerium hieß es auf STANDARD-Anfrage am Mittwoch allgemein: "Eine andere Struktur der medizinischen Versorgung an Schulen ist denkbar, und sie ist bei den aktuellen Überlegungen auch ein Thema."

Derzeit haben Schulärztinnen und Schulärzte ja ausschließlich beratende Funktion und dürfen nur grundsätzliche Untersuchungen durchführen. Auf der Homepage der österreichischen Ärztekammer heißt es zum Berufsbild der Schulärzte: "Die Aufgabe der Schulärztin / des Schularztes ist im Wesentlichen eine präventivmedizinische."

Online-Notdienst für Schulen

Präventionsexpertin Perner schlägt außerdem vor, Jungmedizinerinnen und -medizinern, die auf ihre Turnusausbildung warten, "eine pädagogische Ausbildung mit Lehrbefugnis zu geben, die sie befähigt, Schulunterricht hinsichtlich des menschlichen Körpers zu geben". Auch psychiatrisches Pflichtwissen für die Lehrerinnen und Lehrer wäre eine wichtige Kompetenz im schulischen Betreuungszusammenhang und sollte in die pädagogische Regelausbildung integriert werden.

Als Zusatzschiene könnte das Bildungsministerium als Hilfe für die Schulen einen "Online-Notdienst" einrichten: "Bei chronisch kranken Menschen, egal welchen Alters, liegt ja eine Diagnose vor – auf die kann man mit 'How to do'-Tools reagieren", sagt Perner. (Lisa Nimmervoll, 18.8.2016)