Wien – DC Comics hat ein Problem. Zwar hat man mit Batman und Superman die populärsten Superhelden im Portfolio. Doch große Kasse im Kino macht derzeit Konkurrent Marvel mit einer hochfrequenten Blockbuster-Serie auf Grundlage eines fortlaufenden Erzähluniversums, in dem jeder Teil immer auch den Trailer für den nächsten darstellt.

Die Hexe Enchantress hat schon länger kein Tageslicht gesehen: Cara Delevingne ist in David Ayers "Suicide Squad" nur eine Spur weniger verführerisch als gewohnt.
Foto: Warner

Diese Franchise-Eskalation mit auf Jahre feststehendem Produktionsplan, zentralisiertem Management und zwei bis drei Großproduktionen pro Jahr spült Marvel in kurzen Abständen so viel Geld in die Kassen, dass die monolithisch-diskreten DC-Filme wie die Batman-Reihe von Christopher Nolan dagegen kaum konkurrenzfähig wirken. Klarer Fall: Ein eigenes "shared universe" muss her – auch weil sich längst weitere Franchises im Zuge vermarvelisieren.

Erste Schritte wagte Zack Snyders Superman-Film Man of Steel (2013), blieb dabei aber weitgehend auf sich bezogen. Erst seit dem diesjährigen, von der Kritik gescholtenen Sequel Batman v Superman stehen die Zeichen auf hektische Franchise-Expansion mit zahlreichen Strampelhosenträgern und großzügig aufgestellten Sprungbrettern für Folgefilme. Was Marvel minutiös aufgebaut hat, erzwingt DC samt Produktionspartner Warner jetzt ganz einfach.

Dubioser Plot mit Schurken

David Ayers fast nahtlos hinterhergeschobener Sommerblockbuster Suicide Squad bekräftigt das: Als Ensemblefilm analog zu Marvels Avengers mit allerdings umgekehrtem Vorzeichen konzipiert, handelt er von einer Gruppe in Hochsicherheitstrakten einsitzender Superschurken, die eine dubiose Plot-Entwicklung zum Himmelfahrtskommando für den Fall zusammentrommelt, falls außerirdische Kräfte nochmals ähnlich walten sollten wie in den Vorgängerfilmen. Eine Bewährungsprobe für die moralisch verkommene Truppe im Dienste der US-Regierung stellt sich ein, als archaische Gottheiten aus der Tiefe der Zeit nach der Erde greifen.

Auf die Verlegenheit, eine ganze Reihe stehender Figuren zu präsentieren, die im Franchise noch gar nicht etabliert, geschweige denn eingeknastet worden sind, reagiert Ayer, sonst auf kleinere, streetsmarte Filme spezialisiert (Training Day, End of Watch), mit einem cleveren Kniff Marke Tarantino: erzählökonomische Verdichtung durch Rückblendenstakkato nach Logik einer Liste.

Warner Bros. Pictures

In Verbindung mit der betont coolen Inszenierung, die jede Figur mit einem emblematischen Rocksong und einem ganzen Reservoir an popkulturellen Codes ausstattet, entwickelt Suicide Squad zunächst beträchtliche Schlagkraft und skizziert dabei noch ein Pop-Cinema, das mittlerweile selbst das postmoderne Zitatekino der 1990er-Jahre zum stilistischen Fundus erklärt.

Da Will Smith als Deadshot und Margot Robbie als Harley Quinn obendrein mit verdammt coolen Auftritten punkten, begeistert Suicide Squad zunächst als Poprausch mit frei flottierenden Zeichen und Zitaten im Spiel mit bösen Scherzen. Doch die Ernüchterung folgt rasch. Sobald der Film aufs Fabulieren des eigentlichen Plots verfällt und seine Figuren je nach Dringlichkeitslage verschiebt, offenbart sich der immense Stress, unter dem DC mittlerweile steht.

Joker schaut auch vorbei

Der von Jared Leto gespielte Joker etwa ist mit seinen kaum 15 Minuten Präsenz lediglich drin, damit er drin ist. Eine eigene Tonlage kriegt der Film kaum zu fassen, Potenziale bleiben ungenutzt liegen – ein Popmärchen über die Tragik großer Liebe in unterschiedlichen Konstellationen will auch noch erzählt sein: Doch die großen Gesten verpuffen ohne nachhaltigen Effekt.

Das Knäuel an popkulturellen Codes entwickelt mit fortschreitender Laufzeit Symptomcharakter: Der Film zielt verzweifelt auf die Coolness restlos vollgesprühter Graffitiwände, wirkt aber in hektischer Betriebsamkeit planlos zugemüllt. Orientierungslose Pop-Entropie – DC Comics hat ein Problem. (Thomas Groh, 16.8.2016)