Wien – Sein Vorleben bringt Abubakr K. wohl eher keine Pluspunkte bei den Geschworenen ein, vor denen er wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes sitzt. Geboren in Libyen, flüchtete er über Algerien, Griechenland, die Balkanroute nach Österreich, stellte einen Asylantrag und begab sich weiter nach Deutschland. Von dort kehrte er zurück, drei Monate später war er am Praterstern und stach einen Algerier mit einem Klappmesser dreimal in Kopf und Oberkörper.

Beate Matschnig, Vorsitzende des Senats, will zunächst noch mehr über den Hintergrund des 19-Jährigen wissen. "Ist Abubakr K. Ihr richtiger Name? Ich habe im Akt schon fünf verschiedene." – "Ja", sagt der Unbescholtene. "Warum haben Sie so viele?", fragt Matschnig und liest ihm seine Varianten vor. Bei vier könnte es sich tatsächlich um Transkriptionsfehler oder verdrehte Buchstaben handeln, wie K. behauptet, in einem Fall verwendete er aber einen völlig anderen Vornamen.

Geld von Mutter aus Libyen

"Was haben Sie in Österreich gemacht?", interessiert sich die Vorsitzende weiter. "In einem Caritasheim gelebt." – "Haben Sie Geld bekommen?" – "Nein." – "Wovon haben Sie dann gelebt?" – "Meine Mutter aus Libyen hat mir welches geschickt", übersetzt der Dolmetscher.

Am 7. April fuhr Abubakr K. zum Verkehrsknotenpunkt Praterstern. "Was wollten Sie dort?" – "Araber fragen, ob sie Arbeit für mich haben." Das hatten sie nicht, K. war frustriert. "Ich habe mir Haschisch, eine Tablette und zwölf Dosen Bier gekauft", behauptet er. Die konsumierte er auf einer Bank, dann sei eine Gruppe Algerier gekommen.

Was dann geschehen sein soll, hält Verteidiger Wolfgang Haas für durchaus glaubwürdig. "Sie haben erst geredet, dann hat mein Mandant gemerkt, dass ihm einer in die Jackentasche greift und sein Handy nimmt." Es kam zum Handgemenge, laut Angeklagtem hätten sich drei aus der Gruppe beteiligt, der später Verletzte habe auf ihn eingeprügelt, obwohl K. schon auf dem Boden lag.

Kurze Verfolgungsjagd

Zwei Polizisten beobachteten die Szene, riefen laut "Polizei!", worauf Opfer Naceur H. flüchtete und der Angeklagte ihn verfolgte. Nach ein paar Dutzend Metern hatte der Teenager H. eingeholt, zog ein Messer. "Ich wollte nur drohen, damit er mir mein Handy wiedergibt." Es blieb nicht bei der Drohung, drei Wunden hatte das Opfer. Einer der Polizisten wollte K. wegreißen, setzte sogar Pfefferspray ein, der Angeklagte stach weiter zu.

An die Stiche könne er sich nicht mehr erinnern. Dass beim Verletzten kein Handy gefunden wurde, erklärt sich Verteidiger Haas mit dem üblichen Modus Operandi von Taschendieben – eine Beute wird sofort weitergegeben. Interessanterweise sind die anderen Zeugen rasch verschwunden, das Opfer, das bei der Polizei aussagte, K. habe provoziert, erscheint nicht.

Die Geschworenen glauben die Geschichte und entscheiden nicht rechtskräftig auf absichtliche schwere Körperverletzung. Die Strafe: Fünf Jahre Haft. (Michael Möseneder, 16.8.2016)