Washington – Russland hat inmitten neuer Spannungen mit der Ukraine über die Krim ein neues Luftabwehrsystem vom Typ S-400 auf der annektierten Halbinsel stationiert. Dies meldeten am Freitag russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf das Verteidigungsministerium.

Nach angeblichen Kämpfen mit ukrainischen Saboteuren auf der Krim hatte Präsident Wladimir Putin diese Woche Gegenmaßnahmen angekündigt. Nach ukrainischer Darstellung gab es keine solchen Kämpfe. Russland hatte im März 2014 die zur Ukraine gehörende Krim im Schwarzen Meer nach einer international nicht anerkannten Volksabstimmung annektiert.

Im Osten der Ukraine gab es trotz der neuen Spannungen nach Angaben des Militärs keine Zunahme der Kämpfe mit prorussischen Separatisten. Die Zahl der abgefeuerten Geschosse sei in den vergangenen Tagen "auf ziemlich gleichem Niveau" geblieben, sagte Militärsprecher Alexander Motusjanyk. Die Ukraine hatte nach Putins Ankündigungen ihre Truppen an der Grenze in höchste Gefechtsbereitschaft versetzt.

Drohung mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen

Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew brachte einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Ukraine im Falle einer weiteren Verschärfung der Spannungen in die Diskussion. Zwar sei dieser Schritt nicht wünschenswert, und es gebe noch keine Entscheidung darüber, sagte Medwedew am Freitag. "Wenn es aber keine andere Möglichkeit gibt, die Situation zu beeinflussen, könnte der Präsident eine solche Entscheidung treffen", wurde Medwedew auf der Internetseite der russischen Regierung zitiert.

Die Ukraine warf Russland vor, bewusst Unruhen zu schüren. Moskau plane entlang der Kontaktlinie in der Ostukraine "groß angelegte provokative Aktionen", erklärte der ukrainische Militärgeheimdienst am Freitag. Anschließend werde Russland der Ukraine vorwerfen, sich nicht an die Minsker Friedensvereinbarungen vom Februar vergangenen Jahres zu halten, hieß es weiter. Kiew warf Moskau außerdem vor, seine Soldaten in der Region aufzustocken und neues Militärmaterial heranzuschaffen. Die Ukraine erhöhte am Freitag für die von Russland annektierte Krim sowie die östlichen Regionen Donezk und Luhansk die Terrorwarnstufe auf das höchstmögliche Niveau.

US-Vizepräsident Joe Biden rief beide Seiten zu Zurückhaltung auf. Er habe dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gesagt, er müsse "seinen Teil tun", um eine Eskalation der Lage zu verhindern, teilte das US-Präsidialamt am Freitag mit. Die USA hätten das gleiche auch von Russland gefordert, sagte Biden weiter.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn forderte beide Länder zur Einhaltung des Minsker Friedensabkommens auf. "Ich verfolge die Entwicklungen in der Ukraine und möchte die Wichtigkeit zur Anerkennung der Vereinbarungen des Minsker Abkommens durch alle Seiten betonen", erklärte der Österreicher am Freitagabend via Internet-Kurznachrichtendienst Twitter. Sowohl die EU als auch die USA haben Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts verhängt.

Steinmeier besucht Russland

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier kündigte an, bei seinem am Montag geplanten Russland-Besuch die Lage auf der Krim anzusprechen. In der Zeitung "Welt am Sonntag" forderte er, die Vorgänge objektiv nachprüfbar aufzuklären. Auch er rief beide Konfliktparteien dazu auf, weiter an der Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens von Minsk zu arbeiten. Die bisherige Bilanz der auch unter deutscher Vermittlung zustande gekommenen Vereinbarung könne niemanden zufriedenstellen.

Das in der weißrussischen Hauptstadt im Februar 2015 abgeschlossene Friedensabkommen sollte den Konflikt in der Ukraine beenden. Der Friedensplan sieht zunächst eine Waffenruhe, dann den Abzug von Waffen und schließlich politische Schritte vor – bis hin zu einer Teilautonomie für die prorussischen Rebellengebiete und Kommunalwahlen.

Ein US-General rief Russland dazu auf, bei anstehenden Militärübungen Beobachter und westliche Journalisten zuzulassen. Der Kommandant der US-Armee in Europa, Ben Hodges, sagte, wenn Russland dem Vorbild der USA und ihren Alliierten in Europa folge, könne sich die Lage entspannen. "An einer Militärübung ist nichts Falsches. Es ist lediglich der Mangel an Transparenz." Russland hatte nach US-Angaben im Juni Beobachter zur NATO-Übung "Anakonda" geschickt. (APA, 13.8.2016)