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Das englische Nomen cattle, "Rind(er)", ...

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... geht zurück auf mittellateinisch capitale "Geldmittel, Kapital, Vermögen".

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Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist.

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Bemerkenswert ist der Bedeutungsbezug zwischen Viehbestand auf der einen Seite und finanzieller Potenz auf der anderen, der sich widerspiegelt in folgenden etymologisch verwandten Wortpaaren: neuenglisch cattle "Rind(er)" und Kapital, neuhochdeutsch Vieh und neuenglisch fee "Gebühr, Gage, Honorar". Die semantische Wechselbeziehung zwischen Finanzmittel und Vieh lässt darauf schließen, dass sich Macht, Reichtum und Vermögen in der bäuerlichen Welt der Antike am Viehbestand ablesen ließ.

Das englische Nomen cattle, Mitte des 13. Jahrhunderts aus anglonormannisch catel entlehnt, geht zurück auf mittellateinisch capitale "Geldmittel, Kapital, Vermögen" (zum Adjektiv capitalis "den Kopf [lateinisch caput] betreffend, vorzüglich"). Im Englischen kam es im späten 16. Jahrhundert zu einer Bedeutungsverengung von "beweglicher Habe, insbesondere Viehbestand" zu "Rind(er)".

Eine ähnliche semantische Beziehung zeigt uns lateinisch pecunia "Geld, Kapital, Eigentum, Wohlstand", ist das Wort doch eine Ableitung von lateinisch pecu "Herde, Nutztiere, Schafe, Vieh, Weiden". Zur selben Wurzel *pek- gesellen sich auch pecus -udis "Schaf, Kleinvieh" und pecus -oris "Wollvieh, Kleinvieh". Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Und pekuniär zahlt sich jeder Cent aus.

Wollen wir der Bedeutung der indogermanischen Wurzel *pek- auf den Grund gehen, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass Kleinvieh, wie zum Beispiel Schaf oder Ziege, seit jeher Wolle gespendet hat, die versponnen wurde. Und daher leitet sich von der erweiterten Wurzel *pekt- lateinisch pectere ab "Wolle kardieren1, rupfen, zupfen und kämmen". Lateinisch pecten, -inis ist folglich ein Kamm, und un pettine kämmt2 heute noch die Italienerinnen und Italiener und macht ihnen eine schöne Frisur, una bella pettinatura.

Schön bleibt die Frisur aber nicht, wenn sich zwei Streithansln sprichwörtlich in die Haare kriegen, in die Wolle geraten und ihre Angelegenheit handgreiflich ausfechten3. Wer wird wen wohl außer Gefecht setzen? Englisch fight "kämpfen, streiten, sich prügeln" (altenglisch feohtan) ist noch relativ nahe an der Ursprungsbedeutung (siehe auch Gefecht), aber der heutige Gebrauch des Verbs fechten (althochdeutsch fehtan, mittelhochdeutsch vehten "streiten, kämpfen, ringen, fechten") lässt uns eher an Sportfechten mit Degen, Säbel und Florett denken, als dass wir es als Synonym für "streiten und kämpfen" auffassen.

Im städtischen Umfeld, in Zeiten des Konsumüberangebots, mag die Nebenbedeutung von fechten gehen4, nämlich "betteln", längst obsolet sein. Sie führt uns zurück ins Mittelalter, als Handwerksburschen auf die Walz gingen. Sie beherrschten die Fechtkunst und stellten diese auch gegen eine Geldspende zur Schau. So bürgerte sich im 17. Jahrhundert die Nebenbedeutung "betteln" für fechten ein. Geläufiger aber sind diverse Präfixbildungen von fechten, zum Beispiel eine (wissenschaftliche) Theorie verfechten oder ein Gerichtsurteil anfechten, in denen die ursprüngliche Bedeutung noch durchschimmert. Allerdings stellt niemand heutzutage einem anderen diese Frage: Was ficht dich an? (Was bekümmert/beunruhigt dich? Eigentlich: Was in deinem Inneren kämpft mit dir, kämpft gegen dich an?)

Kehren wir aber wieder zurück zur indogermanischen Wurzel *pek-, denn davon leitet sich auch unser Vieh ab, mittelhochdeutsch vihe, althochdeutsch fihu "Vieh", gotisch faíhu "Vermögen, Geld", altenglisch feoh "Vieh, Herde, Eigentum, Geld, Reichtum, Schatz". Neuenglisch fee hat die Viehherde vollends verlassen und wandert in klingender Münze von Hand zu Hand, wird als Gebühr ein- und als Gage und Honorar ausbezahlt.

Das standardsprachliche Vieh taucht dialektal mit Frikativ [ç] als roher, grobschlächtiger Mensch auf, der sich aufführt wie a Viech5. Viecher müssen nicht immer groß sein, ganz im Gegenteil. Es kann schon vorkommen, dass Ihnen, wenn Sie an einem schwülen Sommertag mit dem Rad Richtung Lobau unterwegs sind, lauter Viecher ins Gesicht fliegen. Mit Diminutivsuffix wird das Viech zum Viecherl: Wenn sich Ihr Wellensittich den Flügel gebrochen hat, dann bringen Sie das verletzte Viecherl in die Tierambulanz. Und wenn Sie im Sommer bei 35 Grad im Schatten schwere körperliche Arbeiten verrichten, dann ist das wirklich a Viecherei, nämlich: eine wahnsinnige Strapaze. Wahrlich schweißtreibend ist es auch, wenn Sie in einem Fitness-Studio viechern6, also trainieren, um Ihren Körper zu stählen.

Das Hüten und Treiben von Rindern ist eine uralte Kunst, die seit Menschengedenken praktiziert wird. So erinnert die Viehtriftgasse ("Trift" ist eine nominale Ableitung von "treiben") in Wien-Floridsdorf noch daran, dass so benannte Straßenzüge einst landwirtschaftlich genutzt wurden. Der Flurname, den es auch in anderen deutschen Großstädten gibt, bezeichnet den vom Vieh benutzten Weg zwischen Weideland und Stall.

Aber nun vom Stall zum (Musikanten-)Stadel: Aufgepasst, es wird abgeviechert. Angeblich kann man das mit Andreas Gabalier, nämlich abviechern, das heißt in der Disco abtanzen, sich im Tanzen völlig verausgaben, ekstatisch und zügellos.

Wenn Sie das gerne tun und es Ihre pekuniäre Situation zulässt, dann verbringen Sie Ihren nächsten Winterurlaub im Süden Kärntens. Denn das Top-Skigebiet Nassfeld, so erklärt ein begeisterter Snowboarder in einem Internet-Posting, sei empfehlenswert sowohl für Anfänger als auch für Profis. Denn Hüttenzauber, Einkehrschwung und Abviechern sind dort keine Fremdwörter …

Après-Ski scheint demnach ein längst aus der Mode gekommenes Fremdwort zu sein. (Sonja Winkler, 16.8.2016)