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Trumps Kandidatur sei ein "qualvoller, unangenehmer Moment" für die Republikaner, sagt David Frum.

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David Frum gilt bis heute als prominenter "Big Thinker".

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STANDARD: Wird Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten?

David Frum: Derzeit deutet alles eher darauf hin, dass Hillary Clinton siegen wird. Trotzdem muss man sich das vor Augen halten: Donald Trump hat derzeit allen Ernstes die zweitbesten Chancen darauf, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Für alle, die Trump beunruhigend finden, ist das eine beunruhigende Wahrscheinlichkeit.

STANDARD: Clinton wäre eine bessere Präsidentin als der republikanische Kandidat?

Frum: Ich denke, das ist ein unumstrittenes Statement.

STANDARD: Sie haben bisher nicht gesagt, wen Sie wählen werden, nur, dass es nicht Donald Trump sein wird. Welche Optionen haben moderate Republikaner bei dieser Wahl?

Frum: Es ist nicht so, dass ich mich absichtlich bedeckt halte, ich habe mich nur noch nicht endgültig für eine Variante entschieden: einen anderen Namen auf den Wahlzettel schreiben, einen Kandidaten der Drittpartei wählen, Clinton den Vorzug geben. Viele von uns Republikanern, die Trump für einen inakzeptablen Kandidaten halten, denken noch darüber nach, wie wir unseren Widerspruch kundtun sollen.

STANDARD: Was für ein Land wäre Amerika unter einem Präsidenten Trump?

Frum: Ein hochgradig dysfunktionales. Die größte Gefahr, die von Trump ausgeht, ist nicht, dass er all das, was er jetzt ankündigt, auch tatsächlich umsetzt – und seine Vorstellungen allein sind schon problematisch genug. Die größte Gefahr besteht viel eher darin, welche Schäden er auf dem Weg dorthin anrichtet. Er würde das Land in ein unregierbares Chaos stürzen.

STANDARD: Warum?

Frum: Die Macht des US-Präsidenten ist beispielsweise, verglichen mit jener des britischen Premierministers, eher schwach ausgeprägt. Dafür ist seine Autorität aber eine sehr große. Wenn es ihm aber an dieser Autorität mangelt, dann zeigt sich, wie beschränkt seine eigentliche Macht ist. Die Verbitterung, die sich unter einem Präsidenten Trump einstellen würde, würde dazu führen, dass es völlig unklar wird, in welche Richtung sich das Land bewegt.

STANDARD: Sie haben Trump als "Gefahr für die Demokratie" bezeichnet.

Frum: Zum Amt des US-Präsidenten gehören viele Gepflogenheiten: Der Usus etwa, seine Steuererklärung öffentlich zu machen, um Korruption zu vermeiden. Jeder Präsident und Kandidat für dieses Amt macht das. Trump aber weigert sich bisher vehement. Oder aber seine Unfähigkeit, mit Kritik der Medien umzugehen: Trump hat bereits klargemacht, dass er rechtlich gegen Kritiker vorgehen möchte. Nicht, dass ich glaube, dass er damit Erfolg haben würde, aber allein der Versuch ist höchst problematisch. Am meisten Sorgen bereitet mir allerdings die Aussicht darauf, was unter Trump mit unseren Verbündeten passieren würde. Die Zusammenarbeit mit dem Westen, mit Japan, ist eine Erfolgsgeschichte, sie war der Garant für Frieden und den Aufbau von Demokratien nach 1945. Natürlich gab es im Laufe der Zeit immer wieder Differenzen und Krisen. Aber wir hatten niemals einen Präsidenten, der in aller Öffentlichkeit sagt, die USA würden ohne Verbündete besser dastehen.

STANDARD: Wer wäre der Ihrer Meinung nach beste republikanische Kandidat gewesen?

Frum: Großen Respekt habe ich vor Scott Walker, dem Gouverneur von Wisconsin, der in Europa einen schlechten Ruf hat, ebenso wie auch vor Ted Cruz, der oft als extremistischer Fanatiker dargestellt wird. Cruz vertritt in vielen Punkten wesentlich konservativere Werte als ich, aber er ist hochintelligent und außerdem jemand, der sich an die Regeln des Politsystems halten würde. Donald Trump wird gerne mit Bernie Sanders verglichen, dabei ist Ted Cruz der Bernie Sanders der Republikaner. Auch Cruz vertritt Ansichten, die abseits des Mainstreams und damit extremer sind. Beide würden eine radikalere Politik machen. Aber niemand stellt infrage, dass sie sich dabei an die Regeln halten würden.

STANDARD: Cruz gilt als Kandidat der Tea Party, jener Grassroots-Bewegung, die Sie von Anfang an wegen ihrer mitunter sehr radikalen Ansichten kritisiert haben.

Frum: Ich habe sie kritisiert, aber gleichzeitig auch versucht, eine akkuratere Sicht auf sie zu geben. Meist wird sie als wildgewordener Haufen dargestellt, der den kompletten Rückzug des Staates will. Jeder, der einmal zu einer ihrer Versammlungen gegangen ist, hat allerdings sehen können, dass das nicht stimmt. Dass die Republikaner nicht dazu in der Lage waren, die Tea Party zu verstehen, hat letztendlich zum Erfolg von Trump geführt.

STANDARD: Muss man die Tea Party verstehen, um Trumps Erfolg zu verstehen?

Frum: Die Tea Party hat Trump den Weg geebnet. Die Tea Party ist, beziehungsweise war, in ihren Anfängen eine Protestbewegung aus konservativeren, weißen, älteren Amerikanern, die nach der Finanzkrise, durch einige Programme der Obama-Regierung – vor allem die Gesundheitsreform – und durch den kulturellen Wandel seiner Regierung, immer mehr zur Überzeugung gelangt sind, dass sie zu den Verlierern zählen. Einige Politiker wollten diese Bewegung dann für ihre Zwecke instrumentalisieren und haben sich im Fernsehen zu ihrem Anführer aufgeschwungen, ohne die tatsächlichen Sorgen zu kennen. Ursprünglich war die Tea Party aber nie die ideologische Bewegung, als die sie dann gebrandmarkt wurde. Sie gleicht viel eher den Protestparteien, wie man sie derzeit überall findet, und die gegen beides gleichzeitig ankämpfen: den freien Markt, die Globalisierung der Rechten, und Migration, die Globalisierung der Linken. Manchmal starten sie auf der linken Seite des politischen Spektrums, wie die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien, manchmal auf der rechten Seite, wie Ukip in Großbritannien, manchmal tragen sie faschistische Elemente in ihrer DNA, wie der französische Front National.

STANDARD: Vor einem Jahr haben Sie noch die Hoffnung geäußert, dass sich die Republikaner wieder auf dem Weg der Normalität befinden. Wie lautet heute Ihr Befund?

Frum: Wir Republikaner stecken in einem unsagbaren, kompletten Chaos fest. Was mich vor einem Jahr noch optimistischer gestimmt hat, war meine Annahme, dass die Partei nach der verlorenen Wahl von 2012 verstanden hat, dass sich ihre eigenen Mitglieder eine wesentlich weniger radikale Wirtschaftsagenda wünschen. Ich habe dafür plädiert, Obamas Gesundheitsreform zu akzeptieren und nicht nur eine Partei für Unternehmer und Geschäftsleute zu sein. Die Aufgabe einer konservativen Partei ist es, stets richtig abzuwägen, wieviel sie beibehalten und wieviel sie verändern muss. Null Veränderung führt immer zu Revolution, weil sich die Gesellschaft um einen herum nun einmal verändert.

STANDARD: Verstehen Sie, dass sich ein Teil der Partei mit Trump abgefunden hat?

Frum: Der Großteil all jener Leute, deren Aufgabe es war, Trump im Fernsehen zu verteidigen, ist im Privaten selbst entsetzt. Sie haben versucht, ihn als Kandidaten zu verhindern, sind aber daran gescheitert, dass sie sich nicht darauf einigen konnten, wer stattdessen der Kandidat sein sollte. Und nun sind sie in einem Parteiensystem gefangen, das ihnen kaum Möglichkeiten gibt, derzeit etwas gegen ihn zu unternehmen. Ihre Hoffnung besteht momentan darin, sich auf eine Übereinkunft zu einigen.

STANDARD: Und Trump zähmen zu können?

Frum: Trumps Rede am Parteitag war nicht schlecht, er dürfte sie größtenteils tatsächlich abgelesen haben. Und am nächsten Tag ist es dann wieder durchgegangen mit ihm, weil er es nicht aushält, wenn er sich an Limits halten muss. Deshalb hat er sofort eine Pressekonferenz angesetzt, in der er es für notwendig erachtet hat, über die Nacktfotos seiner Frau zu sprechen und darüber, dass Ted Cruz' Vater in die Ermordung von John F. Kennedy verwickelt sei. Das ist eine absolut verrückte Fantasie. Und das alles ohne Not. Ihm fehlt nun einmal die Kontrolle über sich selbst.

STANDARD: Ist es schwierig, dieser Tage Mitglied der Republikanischen Partei zu sein?

Frum: Es ist ein qualvoller, unangenehmer Moment. Ich bin in die Politik gegangen, weil ich an Amerikas friedensstiftende und -erhaltende Rolle glaube. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass jemand, der diese Rolle in Frage stellt, die Republikanische Partei anführen würde.

STANDARD: Waren Sie überrascht von Trumps Erfolg in den Vorwahlen?

Frum: Ich bin es bis heute und werde wohl niemals aufhören, überrascht zu sein.

STANDARD: Gewinnt Clinton, dann wäre das für die Republikaner die dritte Niederlage in Folge. Was ist das Erste, was die Republikaner nach dieser Wahl ändern müssen?

Frum: Die Partei muss beginnen zu verstehen, warum sie ständig verliert. Und auch, warum ihr Widersacher gewonnen hat, was ihn oder sie attraktiv gemacht hat. Wir leben in einer Ära eines globalisierten Wirtschaftssystems, wo viele traditionelle Sicherheitsnetze geschwächt und Jobs unsicher werden, wo Gewerkschaften an Bedeutung verlieren, Leute vermehrt umziehen, Familiennetze wegfallen. Politiker müssen das Bedürfnis der Menschen nach wirtschaftlicher Sicherheit ernstnehmen und anerkennen, dass vielen einige kulturelle Veränderungen zu schnell gehen, dass diese also auch destabilisierend wirken können, wenn sie zu plötzlich passieren. Das gilt für die US-Flüchtlingspolitik ebenso wie für jene von Frau Merkel. (Anna Giulia Fink, 14.8.2016)