Wien – Es ist kalt für einen Morgen im August. Im Innenhof des Wiener Werkstätten- und Kulturhauses (WUK) tummeln sich trotzdem ein paar Kinder, die mit ihren Rollern über das holprige Pflaster fetzen. Drei Kindergruppen und Schulen sowie ein Hort sind hier beheimatet. Über den Sommer ist es meist ruhiger als sonst. In den vergangenen Tagen war das aber anders: Da hat eine Gruppe die sommerliche Fadesse aufgewirbelt.

derStandard.at

25 Kinder haben sich für zwei Wochen im ersten Stock des Backsteinbaus einquartiert; sie proben für ein Theaterstück. Das Besondere daran: Der Altersunterschied beträgt bis zu zehn Jahre, im Durchschnitt werden bis zu acht Sprachen gesprochen. Und: Die meisten kennen sich erst kurz. Sie alle sind Teil des Projekts "TheaterFlucht". Dabei sollen Kinder mit und ohne Fluchterfahrung zusammengebracht werden.

Mit vier Theaterpädagoginnen können die Kinder ausprobieren, wie es ist, auf einer Bühne zu stehen. Sie lernen aber auch, was es heißt, gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten und zu lernen, ihre Gefühle auszudrücken.

Integration in der Praxis: Kinder im Asylverfahren und aus Österreich erarbeiten gemeinsam ein Theaterstück, spielen und tanzen gemeinsam.
Foto: Maria von Usslar

"Viele Kinder, die im Asylverfahren sind, haben im Sommer keine Chance, aus ihrer Unterkunft rauszukommen", sagt Susanna Sulig. Die 28-Jährige hat das Projekt im Jahr 2012 ins Leben gerufen. Im heurigen vierten Durchgang gibt es allerdings eine Neuerung: Erstmals ist der Workshop nur für Mädchen im Alter zwischen neun und 18 Jahren. "Junge Männer im Asylverfahren sind oft besser betreut", sagt Sulig.

Von und für Mädchen

Auch das Team an Freiwilligen, die mit den Kindern das Stück lernen, malen, spielen oder kochen, besteht heuer nur aus Frauen. Für einige der Mädchen sei das auch die Voraussetzung gewesen, überhaupt mitmachen zu dürfen. "Es ist besser, dass wir nur Mädchen sind", erzählt Nour. Die 16-Jährige fühle sich so einfach wohler.

Aber nicht alle der Mädchen sind nach Österreich geflüchtet. Einige sind auch hier aufgewachsen. "Manche sind aus Österreich, aber viele von anderen Plätzen auf dieser Welt. Aus Arabien, oder aus Spanien, oder aus Wien", erzählt die zehnjährige Elisa. Sie ist zum zweiten Mal dabei. Dass in diesem Jahr nur Mädchen mitmachen, sei ein Unterschied: "Mit den Buben waren alle schüchterner."

Bei der Generalprobe am Donnerstag sind alle sehr aufgeregt, immerhin sind es nur mehr zwei Tage bis zur Aufführung am Samstag. Die 20-minütige Choreografie kann man sich gar nicht so leicht merken, manchmal hilft es noch, wenn die Betreuerinnen den Takt mitzählen. Gesprochen wird während des Stücks, das sich rund um Geborgenheit und Liebe dreht, wenig. Das ist aber auch nicht nötig; das meiste wird durch den Körper ausgedrückt, entweder beim Tanzen oder bei Begegnungen miteinander. In vielen Szenen gehen die Mädchen aufeinander zu und umarmen sich. Man beobachtet auf der Bühne aber auch Streit und Versöhnung. "Am Anfang war das komisch, weil wir uns ja gar nicht gekannt haben. Jetzt umarmen wir uns auch ständig in den Pausen", erzählt die 17-jährige Rim und schmunzelt.

Spielend Sprachen lernen

Von den österreichischen Mädchen würden sie lernen, "Deutsch zu sprechen, das ist das Beste", sagt die junge Afghanin Elisa. Sie spricht Persisch und wie ihre Wiener Namensvetterin Deutsch, ihre neue syrische Freundin vor allem Arabisch. Auf Englisch unterhalten sie sich miteinander. Die zehnjährige Elisa gibt schon ein bisschen mit den Arabischkenntnissen an. "Das heißt Hallo", übersetzt sie. Den Tag beginnen die Kinder immer mit einem Sitzkreis und begrüßen einander in ihren verschiedenen Muttersprachen.

Vor und nach der Theaterprobe sitzen die Kinder im Kreis, begrüßen sich in ihren Muttersprachen und besprechen den Tag.
Foto: Maria von Usslar/derstandard.at

Elisa will noch mehr Sprachen lernen. Dazu wird sie auch bald Gelegenheit haben: Das Projekt wird im Herbst fortgesetzt, um längerfristig mit den Kindern zu arbeiten, zumindest, soweit dies möglich ist. Einige haben einen negativen Asylbescheid oder ihr Status ist ungeklärt. Umso schöner sei es, manche Kinder wiedersehen zu können, sagt Sulig. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, Maria von Usslar, 12.8.2016)