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Wladimir Putin beriet sich am Donnerstag in Moskau mit seinem Sicherheitskabinett. Verhandlungen der sogenannten Normandie-Gruppe bezeichnete Putin derzeit als sinnlos

Foto: Reuters/Sputnik/Druzhinin

Zwei tote Grenzsoldaten auf der Krim beschwören die wohl schwerste Krise zwischen Moskau und Kiew seit dem Abschluss des Minsk-2-Abkommens herauf. Laut dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB ist in der Nacht zum 7. August eine mobile Einsatzgruppe südlich der Stadt Armjansk auf einen Sabotagetrupp gestoßen. "Bei der Festnahme der Terroristen ist ein FSB-Mitarbeiter durch ein Feuergefecht getötet worden", heißt es in der Pressemitteilung. Und weiter: Die feindlichen Agenten hätten bei ihrer Flucht 20 selbstgebaute Bomben mit einer Sprengkraft von rund 40 Kilogramm TNT zurückgelassen.

Einen Tag später soll es einen weiteren Versuch von Saboteuren gegeben haben, über die faktische Staatsgrenze zwischen der Ukraine und Russland im Norden der Krim einzusickern. "Die Durchbruchsversuche wurden von massivem Beschuss aus Richtung des Nachbarstaats und durch Panzertechnik des ukrainischen Militärs gedeckt", dabei sei ein Grenzsoldat ums Leben gekommen, so der russische Geheimdienst.

"Dumm und verbrecherisch"

Russische Medien berichten unter Berufung auf das Geständnis eines angeblich gefassten Saboteurs, die Gruppe habe mit mehreren kleinen Anschlägen die Urlaubssaison auf der Krim sprengen wollen. Todesopfer seien dabei nicht eingeplant gewesen.

Russlands Präsident Wladimir Putin drohte auf einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats mit Gegenmaßnahmen: "Wir werden solche Sachen zweifellos nicht unbeantwortet lassen", sagte er. Der Sabotageversuch sei "dumm und verbrecherisch", die Machthaber in Kiew seien, "anstatt nach Wegen einer friedlichen Lösung zu suchen, zur Praxis des Terrors übergegangen", um von der Krise im Land abzulenken, kritisierte er.

Ukraine spricht von "Fake"

Die Vorwürfe sind brisant, weil diesmal nicht mehr oder weniger von Kiew autonom operierende Freischärler à la Rechter Sektor der Tat bezichtigt werden, sondern das ukrainische Militär selbst. Und sie haben konkrete Folgen für den Friedensprozess. Denn Russland wird den UN-Sicherheitsrat wegen des Zwischenfalls einberufen und zugleich die Verhandlungen der Normandie-Gruppe, der neben Russland und der Ukraine auch Deutschland und Frankreich angehören, einfrieren. Zuletzt war die Durchführung einer neuen Runde im Rahmen des G20-Gipfels in Hangzhou Anfang September im Gespräch. "Es ist sinnlos, sich unter diesen Bedingungen im Normandie-Format zu treffen, umso mehr in China", erklärte Putin nun.

Die ukrainische Führung hat sich von dem Zwischenfall distanziert. Das Verteidigungsministerium sprach von einem "Fake". Präsident Petro Poroschenko nannte den Vorwurf der Sabotage "ebenso sinnlos und zynisch wie die Erklärungen der russischen Führung, dass es im Donbass keine russischen Truppen gibt." Die Ukraine verurteile Terror und werde auch nicht zu terroristischen Aktionen greifen, um die Krim zurückzubekommen.

Alarmbereitschaft für Armee

In Kiew wird stattdessen spekuliert, dass der Vorfall dazu diene, Truppenbewegungen zu verschleiern und die Verstärkung russischer Einheiten auf der Krim zu begründen. Für zusätzliche Nervosität in der ukrainischen Hauptstadt sorgt zudem der Start eines zehntägigen russischen Militärmanövers, bei dem Truppenteile aus ganz Südrussland und im Schwarzen Meer ihre Gefechtsbereitschaft demonstrieren. Die Ukraine hat ihre Truppen in der Nähe der Krim und des Donbass daher in Alarmbereitschaft versetzt.

Der offene Streit zwischen Kiew und Moskau erhöht die Gefahr, dass der auf kleiner Flamme köchelnde Konflikt im Donbass zu einem Flächenbrand wird. Der österreichische Diplomat Martin Sajdik, derzeit OSZE-Sondergesandter für die Ukraine, geht jedoch davon aus, dass die trilaterale Kontaktgruppe in Minsk wie geplant am 26. August erneut zusammentrifft. Dort sitzen auch Vertreter der prorussischen Separatisten mit am Tisch. Berichte über zahlreiche Behinderungen für OSZE-Beobachter im Donbass bestätigte Sajdik im Gespräch mit dem STANDARD: "Das findet mit bedauerlicher Regelmäßigkeit statt."

Wladimir Putin beriet sich am Donnerstag in Moskau mit seinem Sicherheitskabinett. Verhandlungen der sogenannten Normandie-Gruppe bezeichnete Putin als derzeit sinnlos.(André Ballin, 11.8.2016)