Stuttgart – Wer im Sommer das Glück im Freien sucht und keinen UV-Schutz aufträgt, riskiert das Pech in Form eines Sonnenbrands. Doch die wärmenden Strahlen können die Haut nicht nur direkt schädigen. Manche Substanzen in Arzneimitteln oder Kosmetika, aber auch in Heilpflanzen wie Johanniskraut oder Pflanzenextrakte wie Bergamottöl, können durch UV-Licht toxisch auf die Haut wirken. Phototoxizität nennt sich das.
Das Phänomen beruht darauf, dass eine Substanz Lichtenergie aufnimmt und dabei chemisch verändert wird. Erst die veränderte Substanz wirkt toxisch auf die Haut. Das zeigt sich dann durch Rötungen, Schwellungen oder Entzündungen – ähnlich wie bei einem Sonnenbrand.
Ob eine Substanz phototoxisch wirkt, kann allerdings über ein In-vitro-Hautmodell untersucht werden. Etwa am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB). Dazu werden menschliche Hautzellen in speziellen Kulturgefäßen gezüchtet. Für die Untersuchung des phototoxischen Effekts kommt ein sogenanntes Epidermismodell zum Einsatz, das aus einer vollständig ausgebildeten Oberhaut, der Epidermis, besteht. "Wenn wir menschliche Keratinozyten, also die typischen Hautzellen der Epidermis, in unsere Platten aussäen und im Labor kultivieren, bilden diese eine künstliche Oberhaut – mit all ihren natürlichen Schichten", erläutert Sibylle Thude vom IGB.
Künstliches Hautmodell
"Nach oben hin bildet sich auch die typische Hornschicht, die als wichtige Barriere gegen Austrocknung und Umwelteinflüsse wirkt", so die Biologin weiter. Nach zwei Wochen ist das Epidermismodell ausgereift. Dann träufeln die Forscher für den Phototoxizitätstest eine Testsubstanz auf das Hautmodell und bestrahlen es anschließend mit einer definierten, aber nicht toxischen UV-Strahlendosis. Danach können sie untersuchen, ob die Hautzellen noch leben oder geschädigt wurden. "Hierzu schauen wir uns die Hautmodelle zuerst unter dem Mikroskop an", erklärt Thude.
Jede Probe wird zudem mit einem spektrometrischen Test untersucht, mit dem sich das Ausmaß der Schädigung exakt quantifizieren lässt. Der Test beruht darauf, dass Enzyme nur in noch lebenden Zellen aktiv sind und die Testsubstanz zu einem farbigen Produkt umwandeln. "Wenn die Vitalität des Hautmodells um mehr als 30 Prozent im Vergleich zu einem mit der Testsubstanz behandelten, aber unbestrahlten Modell reduziert wurde, stufen wir die Testsubstanz als phototoxisch ein", so die Expertin.
Selbstbräuner testen
Ein weiteres Hautmodell hilft Substanzen zu finden, mit denen die Melaninproduktion der Haut angekurbelt wird. Solche Substanzen sind etwa bei Selbstbräunern enthalten. Das heißt, sie tönen nicht nur die Haut, sondern bauen auch einen körpereigenen UV-Schutz auf. Um solche Substanzen zu identifizieren, wird das Epidermismodell um einen weiteren Zelltyp, die Melanozyten, erweitert.
Melanozyten übernehmen in der menschlichen Haut eine wichtige Schutzfunktion: Bei Sonneneinwirkung bilden sie das Pigment Melanin, das schädliche UV-Strahlung adsorbiert und so Sonnenbrand vorbeugt. "Bestrahlen wir das pigmentierte Hautmodell mit UV-Licht, so können wir direkt eine erhöhte Melaninproduktion messen", sagt Thude.
Genauso messen die Forscher melanogene Substanzen: Bei der Substanz L-Dihydroxy-phenylalanin etwa, einer Vorstufe des Melanins und als melanogene Substanz bekannt, reagierte das Modell mit einer erhöhten Melaninsynthese. Ebenso können hautaufhellende Substanzen, etwa um Altersflecken auf den Händen zu kaschieren, darauf überprüft werden, ob sie Melanin zerstören. Der Vorteil der künstlichen Haut: Die Verträglichkeit von Substanzen kann risikolos getestet werden – noch bevor sie auf den Markt kommen. (red, 11.8.2016)