Im Schatten der Olympischen Spiele und mit einer für Dilma Rousseff an Demütigung grenzenden Dreiviertelmehrheit hat der brasilianische Senat dafür gestimmt, tatsächlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen die suspendierte Staatspräsidentin zu billigen. Damit ist der Weg ein Stück weiter freigemacht für den fliegenden Wechsel: Anfang September könnte sich Interimspräsident Michel Temer endgültig an der Staatsspitze häuslich einrichten.

Doch wären damit alle Probleme gelöst? Natürlich nicht. Temer ist alles andere als ein Hoffnungsträger oder gar Politmessias. Dem 75-Jährigen haftet im Gegenteil ein machiavellistisches Image an; er ist einer, dem nachgesagt wird, seine Karriere auf Klientelismus aufgebaut zu haben. Dass ausgerechnet Temer Brasilien aus der derzeitigen Lage – Talfahrt der Wirtschaft, Verschärfung der sozialen Problemlagen, grassierende Korruption – befreien wird, erscheint illusorisch; dafür ist er viel zu sehr mit dem System verbandelt, das ihn großgemacht hat.

Aber gerade deshalb muss Temer sehr auf der Hut sein: Konnte Rousseff anfangs noch von der Popularität ihres Vorgängers und Mentors Luiz Inácio Lula da Silva profitieren, so schlägt Temer bereits jetzt, nach nur wenigen Wochen als Interimspräsident im Amt, die offene Antipathie der Wähler entgegen: Bei der Olympia-Eröffnung vor wenigen Tagen wurde der Gastgeber im Maracanã-Stadion in Rio ausgepfiffen – im Sportjargon wäre das ein Fehlstart. (Gianluca Wallisch, 10.8.2016)