Das Bild, das in seinem Büro in Wien hängt, hat BASF-Zentraleuropa-Chef Harald Pflanzl zum Abschied von Mitarbeitern in Münster geschenkt bekommen. Es zeigt zentrale Stationen in seinem Leben.

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STANDARD: Ein Wirtschaftswachstum, das diesen Namen verdient, scheint Vergangenheit zu sein – zumindest in der industrialisierten Welt?

Pflanzl: Das muss man differenziert sehen. Es gibt Länder in Lateinamerika, die in einer argen Rezession stecken, und Märkte in Europa, die stagnieren. Es gibt Märkte in der Region Asien/Pazifik, die noch stark wachsen. Auch in unserer Nachbarschaft, in Zentraleuropa, gibt es noch immer Wachstum. Nachdem wir als BASF weltweit tätig sind, spüren wir all diese Ausprägungen.

STANDARD: Je geringer das Wachstum, desto schneller werden aber Strukturschwächen sichtbar?

Pflanzl: Wir versuchen, gewisse Entwicklungen zu antizipieren, um vorbereitet zu sein, wenn es zu einer Abschwächung kommt. Dazu gehört zum Beispiel eine noch stärkere Kostendisziplin. Daran arbeiten wir momentan.

STANDARD: Das heißt?

Pflanzl: Dank der neuen Kommunikationstechnologien kann man eventuell auf die eine oder andere Dienstreise speziell für interne Besprechungen verzichten, indem man etwa Telefon- oder Videokonferenzen macht. Unser Vorteil in der Region ist, dass wir es von Haus aus mit einem vergleichsweise niedrigen Kostenniveau zu tun haben. Wir müssen nicht Personal einsparen, sind aber beim weiteren Aufbau vorsichtig.

STANDARD: Welchen Stellenwert hat Zentraleuropa im Konzern?

Pflanzl: Einen hohen. Gut 50 Prozent des Geschäfts macht BASF in Europa, einen gewichtigen Teil in der von Wien aus geführten Region Zentraleuropa. Die Menschen sind engagiert, gut ausgebildet und wollen weiterkommen.

STANDARD: Andere Besonderheiten?

Pflanzl: Diversität trifft es wohl am besten. Wir sprechen von einer Region, in der 140 Millionen Menschen leben, von Polen im Norden bis Zypern im Süden. Wir haben es mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen, Ausbildungen, Praxiserfahrungen zu tun und versuchen, diese Diversität bestmöglich für uns zu nutzen.

STANDARD: Nationalismus steht in Europa wieder hoch im Kurs, gerade in Ländern wie Ungarn und Slowakei. Wie geht BASF damit um?

Pflanzl: Wir mischen uns nicht in nationale Angelegenheiten ein, sondern bewegen uns so innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens, dass wir Geschäfte machen können.

STANDARD: Österreich und speziell Wien hat sich nach dem Mauerfall als Tor zum Osten positioniert. Gibt es noch immer Argumente dafür?

Pflanzl: Grundsätzlich ja. Sehr gut ist noch immer die Anbindung. Es gibt keinen anderen Flughafen in Europa außer Wien, von dem aus man alle Länder in Südosteuropa so komfortabel erreicht. Hohe Lebensqualität, gute Umweltstandards und sozialer Frieden reichen aber nicht mehr, den Standort Österreich weiterhin attraktiv zu halten.

STANDARD: Was müsste geschehen, um Österreich fit für die nächsten 20, 25 Jahre zu halten?

Pflanzl: Vorschläge dazu gibt es zuhauf. Große Themen sind Arbeitszeitflexibilisierung, Lohnnebenkostenreduktion, Bürokratieabbau. Auch Aus- und Weiterbildung ist etwas ganz Wichtiges. Wenn da die Weichen richtig gestellt werden, kann Österreich stark profitieren.

STANDARD: Pflanzenschutz ist ein hart umkämpftes Geschäft, das BASF nun doch nicht veräußern will. Was bedeutet Pflanzenschutz im 21. Jahrhundert, speziell durch die sehr strenge regulatorische Brille in Europa betrachtet?

Pflanzl: 2050 werden nicht vier, sondern zehn Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben, davon 70 Prozent in Städten. Wir werden 30 Prozent mehr Nahrungsmittel und 50 Prozent mehr Energie brauchen. Ackerland ist beschränkt, der Zugang zu Wasser auch. Man wird versuchen müssen, aus den vorhandenen Ressourcen mehr herauszuholen. Pflanzenschutz kann dabei helfen. Der Grad der Regulierung ist aber enorm.

STANDARD: Weniger strenge Auflagen wären gescheiter?

Pflanzl: Nicht weniger streng – mehr Sachlichkeit muss her. Im Moment ist viel Polemik da. NGOs, aber auch Politiker spielen mit Emotionen. Uns als chemischer Industrie ist es leider noch nicht gelungen, eine passende Antwort darauf zu finden.

STANDARD: Versuchen Sie es?

Pflanzl: Es ist wichtig, dass man zwischen Gefahr und Risiko unterscheidet und nicht alles in denselben Topf wirft. Wenn Sie am Strand stehen und eine Haifischflosse sehen, ist das eine potenzielle Gefahr. Wenn Sie dann in das Wasser gehen, setzen Sie sich einem potenziellen Risiko aus. Nicht jede Substanz, die als gefährlich gilt, muss riskant für die Konsumenten sein und deshalb verboten werden. Es hängt, um beim obigen Beispiel zu bleiben, eben davon ab, ob ich im Wasser stehe oder am Strand. Das gilt nicht nur für Pflanzenschutzmittel, sondern für viele andere chemische Substanzen und Technologien.

STANDARD: Welche Auswirkungen hat die Diskussion um Energieeffizienz auf einen Konzern wie BASF, der selbst viel Energie verbraucht?

Pflanzl: Wir forschen intensiv an energiesparenden Produkten, auch in Kooperation mit renommierten Universitäten und Instituten. So gibt es zum Beispiel ein Projekt, Kompressoren in Kühlschränken durch neuartige Materialien zu ersetzen. Man spart sich den Kompressor und die Flüssigkeit darin und braucht folglich auch weniger Strom. Für die Bauchemie haben wir spezielle Zusätze entwickelt, die sicherstellen, dass bei der Betonherstellung weniger Wasser verbraucht wird und auch weniger Zement. So versuchen wir, einen Beitrag zu leisten, um Ressourcen zu sparen. (Günther Strobl, 10.8.2016)