Jena – Illegale Schatzsucher haben auf den Philippinen schon so manche archäologische Fundstätte zerstört. Ziel der vielen Glücksritter ist ein legendärer Schatz aus dem Zweiten Weltkrieg, den japanische Soldaten hinterlassen haben sollen. Tatsächlich dürfte der angebliche Goldhort nie existiert haben, sondern vielmehr auf wesentlich älteren volkstümlichen Überlieferung basieren, wie nun Forscher um Piers Kelly vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena darlegen.

Laut einer weit verbreiteten Schilderung haben japanische Soldaten die Philippinen als Versteck von Schätzen benutzt, die sie im Zweiten Weltkrieg in besetzten Gebieten erbeutet hatten. Am Kriegsende sollen sie die Schätze dann an mehreren geheimen Orten zurückgelassen haben. Noch heute beschädigen Schatzsucher in der Hoffnung auf Reichtum bedeutende archäologische Fundstätten auf den Philippinen. Verschwörungstheorien gibt es zuhauf. Dazu zählen auch Mutmaßungen darüber, dass hochrangige Politiker Schätze für sich beansprucht und entsprechende Entdeckungen deshalb geheim gehalten haben.

Doch den berüchtigten Schatz aus dem Zweiten Weltkrieg hat es möglicherweise nie gegeben, sagt Piers Kelly, linguistischer Anthropologe am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. In einem kürzlich im "The Journal of Folklore Research" veröffentlichen Beitrag argumentiert Kelly, dass die berühmte Geschichte die Fortsetzung einer langen Folkloretradition ist, deren Ursprünge weit vor dem Krieg liegen.

Versteckte Kostbarkeiten als moralische Stütze

"Mindestens seit dem 19. Jahrhundert haben philippinische Geschichtenerzähler Sagen über versteckte Kostbarkeiten wie Gold, Kirchenglocken, Silbermünzen und edles Geschirr erzählt", erläutert Kelly. "Durch die Untersuchung verschiedener Varianten dieser Geschichte konnten wir nachweisen, dass ihre Popularität zeitlich mit Kriegs- und Krisenzeiten zusammenfällt. Das Versprechen künftigen Reichtums könnte dazu gedient haben, die Moral der Bevölkerung zu stärken."

Solche Legenden wurden auch dazu benutzt, die ungleiche Verteilung von Reichtum zu begründen. Wenn ein Nachbar unerklärlich reich ist, so Kelly, ist es leichter sich vorzustellen, dass er einen Schatz entdeckt hat, als sich mit wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen.

Im heutigen Zeitalter der Globalisierung werden Geschichten über verlorene Schätze auf den Philippinen auch als Möglichkeit betrachtet, das Gefühl von Nationalstolz zu stärken. Laut Kelly verkörpert das imaginäre Gold ein künftiges goldenes Zeitalter, in dem die Philippinen ihre koloniale Vergangenheit überwinden und wieder an Bedeutung gewinnen werden. (red, 13.8.2016)