Die neu entdeckte Kreisgrabenanlage könnte kultische Funktion gehabt haben.

Foto: RessourcenKulturen, Javier Escudero Carrillo und Helmut Becker

Darauf zumindest weisen Brandspuren auf großen Lehmziegeln hin, die die Forscher in der Mitte der Anlage freilegten.

Foto: RessourcenKulturen , Javier Escudero Carrillo un d Elisabet Conlin

Sevilla – Archäologen entdecken bei Ausgrabungen nahe Sevilla in Südspanien eine rätselhafte Kreisgrabenanlage. Die Strukturen stammen aus der Zeit von 2.600 bis 2.200 vor unserer Zeitrechnung und dürfte damit der kupferzeitlichen Glockenbecherkultur zuzurechnen sein. Welchem Zweck das Bauwerk einst gedient hat, ist unklar, die Wissenschafter halten jedoch eine kultische Funktion für möglich.

Die Region um Valencina de la Concepción bei Sevilla ist als bedeutendes kupferzeitliches Siedlungszentrum bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Die nahe gelegene Siedlung von Valencina, mit 400 Hektar Ausdehnung die größte kupferzeitliche Siedlung Spaniens, war günstig für Ackerbau und Viehzucht in der fruchtbaren Küstenebene positioniert. Grabfunde aus früheren Untersuchungen zeigten, dass Handelsbeziehungen auch mit weiter entfernten Kulturen stattfanden: Unter den Grabbeigaben fanden sich exotische Luxusgüter wie Elefantenstoßzähne aus Afrika und Bernsteinperlen aus dem Norden.

Nun hat ein Archäologenteam unter Leitung von Martin Bartelheim von der Universität Tübingen rund 50 Kilometer östlich von Valencina, im Hinterland der Region nahe Carmona einen überraschenden Funde gemacht. Bei einem im August 2015 durchgeführten Geländesurvey entdeckten sie eine kreisförmige Grabenanlage mit einer Ausdehnung von sechs Hektar. Radiokarbondatierungen und die vergleichende Analyse von Scherbenfunden und Schmuck ergaben ein Alter von rund 4.500 Jahren und eine Datierung in die spätkupferzeitliche Glockenbecherkultur.

Kreisförmiges Loch mit Brandspuren

Der Zweck der Struktur gibt derzeit noch Rätsel auf. Die Anlage besteht aus mehreren, kreisförmig angeordneten Gräben, die in regelmäßigen Abständen eingangsartige Aussparungen aufweisen. Im Zentrum der Anlage befindet sich ein großes kreisförmiges Loch von etwa 19 Meter Durchmesser. Dort entdeckten die Archäologen große Lehmziegel mit Brandspuren, die einem rituellen Zweck gedient haben könnten. Es wurden jedoch keine Skelettfunde gemacht. Siedlungsschichten, die auf eine durchgängige Besiedlung der Stätte über die Kupferzeit hinaus hindeuten, fehlen ebenfalls. Daraus lässt sich schließen, dass die Anlage eine relativ kurze Hochphase hatte, während der sie intensiv von Menschen genutzt wurde.

Die Forscher vermuten in der für die Region ungewöhnlichen Kreisgrabenanlage eine Kultstätte. Javier Escudero Carrillo, Doktorand des Sonderforschungsbereichs RessourcenKulturen, meint: "Die Struktur ist für Spanien vollkommen untypisch, ähnliche Kreisanlagen finden sich sonst nur im nördlichen Europa; diese sind allerdings zumeist rund tausend Jahre älter als diese Anlage. Der steinige Boden hier ist für Landwirtschaft eher ungeeignet."

Allerdings liege die Stätte strategisch günstig nahe einer alten Furt des Flusses Guadalquivir in der Nähe der Sierra Morena, in der Kupfer und andere wertvolle Materialien abgebaut wurden, so Carrillo. Hirtenwege verbinden die Stätte mit der fruchtbaren Ebene von Carmona, so dass davon auszugehen sei, dass sie als Durchgangsstation von vielen Menschen besucht wurde. "Eine Interpretation als Kultstätte ist daher naheliegend", meint Carrillo. Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, wie sich die Stätte in die kupferzeitliche Infrastruktur der Gegend eingefügt hat. (red, 9.8.2016)