Wien – "Verpiss dich, Ungläubiger!" – Diese Aufforderung hat der Chefberater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Wochenende via Twitter an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) gerichtet. Das wird nun auch von Teilen der türkischstämmigen Gemeinde in Österreich kritisiert – als "nicht nur bedenklich, geschmacklos und zum Fremdschämen, sondern vor allem auch gefährlich".

"Diese Sprache ist ein Resultat der Arroganz der Macht, wo in einem Rechtsstaat die Gewaltenteilung zerstört wurde und die Herrscher weder Angst vor Gesetzen noch Behörden oder Konsequenzen haben", legt die "Türkische Kulturgemeinde in Österreich" (TKG) in einer Aussendung in ihrer Bewertung des AKP-Abgeordneten Burhan Kuzu nach. "Ob uns die Aussagen des Bundeskanzlers Kern gefallen oder nicht, wir wollen uns trotzdem nicht von der Sprache der Vernunft, des Verstandes entfernen. Wir wollen auch nicht unter dem Vorwand der emotionalen Sprache eine bedenkliche, hetzende Geisteshaltung von den verantwortlichen Politikern und Politikerinnen akzeptieren, sondern scharf verurteilen."

"Nicht mehr als eine Fiktion"

Kern hat sich den Zorn der Führung in Ankara zugezogen, seit er die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei als "derzeit nicht mehr als eine Fiktion" bezeichnet und mit der Formulierung, Brüssel solle "nach einem neuen machbaren Weg der wirtschaftlichen Heranführung der Türkei suchen", de facto ihre Beendigung angeregt hatte.

"Wir verurteilen natürlich auch den terroristischen Juntaputsch in der Türkei", versichert die TKG. Allerdings wünscht sie sich "einen säkularen, von religiös-islamistischen Sekten befreiten türkischen Rechtsstaat" – und außerdem noch, "dass sich die Religionsgemeinschaften in Österreich von den Parteien aus der Türkei bzw. aus arabischen Ländern bzw. Sekten entkoppeln sollen, die gerade viele Probleme in Österreich verursacht haben und, wenn es so weitergeht, noch mehr Probleme unter dem Vorwand Religionsfreiheit, Integration und Solidarität verursachen werden."

Karas gegen Abbruch

Der ÖVP-Delegationschef im EU-Parlament, Othmar Karas, hat zu einer verbalen Abrüstung in der Türkei-Frage aufgerufen. Er widersprach in der ZIB2 des ORF am Montag sowohl Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) als auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), die sich für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen einsetzten.

Karas sagte, "die Türkei ist und bleibt Nachbar er EU. Ich fordere daher alle Teile auf, nicht eine Provokation mit einer Provokation zu beantworten. Es ist Besonnenheit gefragt. Es ist außenpolitische Tradition, dass Österreich Brücken baut, auf dem Boden fester Prinzipien. Wir müssen rhetorisch abrüsten". (APA, 8.8.2016)