Die syrische Flüchtlingsschwimmerin Yusra Mardini wurde vom ungarischen Sportmoderator komplett ignoriert.

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Im ungarischen Staatsfernsehen darf das Flüchtlingsteam offenbar nicht vorkommen. Bei der Live-Übertragung im Sport-Kanal M4 von jenem Schwimm-Vorlauf, den die syrische Flüchtlingssportlerin Yusra Mardini gewann, zeitigte das eine bizarre Berichterstattung. Der Reporter in Rio, Jenö Knézy junior, schaffte es konsequent, den Namen Mardinis nicht zu nennen. Nicht nur bei der Aufzählung der Starterinnen, sondern auch, als die 18-jährige Syrerin als Erste anschlug.

Der rechtspopulistische Ministerpräsident Viktor Orbán führt einen regelrechten Medienkrieg gegen Flüchtlinge und Asylsuchende. Am 2. Oktober sollen die Bürger auf Wunsch Orbáns bei einem Referendum die Flüchtlingsquoten der EU in Bausch und Bogen ablehnen. Dem Staatsfernsehen kommt dabei eine eminente Rolle zu. Schon bei der Fußball-EM wurden in den kurzen Nachrichtenblöcken während oder nach den Matches Propagandameldungen zur Flüchtlingsthematik verlesen.

Das Verschweigen Mardinis und ihres besonderen Status löste einen Shitstorm in den Oppositionsmedien aus. "Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat den olympischen Gedanken mit Füßen getreten", schrieb die Zeitung "Népszabadság" in ihrer Online-Ausgabe am Sonntag. Ob es eine von ganz oben kommende Sprachregelung gab oder ob Knézy junior aus vorauseilendem Gehorsam so berichtet hat, war unklar. Der Reporter gab jedenfalls später eine Erklärung ab, wonach ihm "technische Probleme" zu schaffen gemacht hätten. Außerdem sei der betreffende Vorlauf über 100 Meter Delfin für das Endergebnis unerheblich gewesen.

Auch Puskás verschwiegen

Die Erklärung hinkte – das Flüchtlingsteam wird weltweit mit großer Sympathie aufgenommen, die junge Schwimmerin Mardini ist sein Aushängeschild. Das Verschweigen von politisch unliebsamen Namen hatte in Ungarn zuletzt im tiefsten Kommunismus Methode. Als Real Madrid 1961 in der Vorrunde des Meistercups gegen Vasas Budapest antrat, wurden in den ungarischen Zeitungen die Namen von nur zehn Real-Spielern genannt. Der Elfte, die ungarische Fußball-Legende Ferenc Puskás, war nach der Niederschlagung des Volksaufstands von 1956 nach Spanien geflohen. Der kommunistischen Diktatur galt er deshalb als "Landesverräter". (Gregor Mayer aus Budapest, 7.8.2016)