In Berlin-Wedding? Aha ... Wenn Pauline Lahnsteiner aus dem oberösterreichischen Ebensee erzählt, wo sie ab 5. September unterrichtet, macht so manch einer große Augen – ist doch der Wedding über Berlins und sogar Deutschlands Grenzen hinaus als "Problembezirk" bekannt.

"Mir macht das nichts aus, jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, egal, woher es kommt", sagt Lahnsteiner zum STANDARD. Die 23-Jährige ist froh, dass sie überhaupt ab September das tun kann, was sie gelernt hat und gerne machen möchte: an einer Volksschule in Vollzeit unterrichten.

In Österreich heißt es "Bitte warten!"

Zwar ist Lahnsteiner auch in ihrer Heimat beschäftigt – die in Wien ausgebildete Pädagogin arbeitet in Ebensee im Hort und in Bad Goisern im Kindergarten -, jedoch Teilzeit. Eigentlich würde sie gerne in der Volksschule unterrichten, aber da heißt es im Moment: Bitte warten! Und dieser Moment könnte in Österreich noch ziemlich lange dauern. Als Lahnsteiner sich auf die Warteliste setzen ließ, war sie Nummer 771. "Jetzt bin ich gerade bei 500 und irgend was", sagt sie.

Kiez statt Kaff

In Berlin hingegen wird sie mit offenen Armen empfangen, denn in der deutschen Hauptstadt herrscht so starker Lehrermangel (1360 offene Stellen), dass sich der Senat für Bildung mit einer Kampagne in Tageszeitungen an österreichische Pädagogen gewandt hat, um diese an die Spree zu locken. Trend statt Tracht", "Kiez statt Kaff" oder "Berliner Schnauze statt Wiener Schmäh", hieß es in den Inseraten.

Das allein gab für jene 56 Bewerber, die sich bewarben, wohl nicht den Ausschlag, sondern die Beschreibung des Gehalts: "Mit 4450 Euro starten" – gemeint war das Brutto-Einstiegsgehalt für Grundschullehrer in Berlin.

Bessere Bezahlung

Das liegt weit über dem österreichischen Niveau, da gibt es anfangs nach dem neuen Lehrerdienstrecht 2550 Euro pro Monat.

"Bewirbst dich einfach mal und schaust, was kommt", dachte Lahnsteiner anfangs und schickte im Frühjahr ihre Bewerbungsunterlagen nach Berlin. Gespräche mit der Schuldirektorin wurden zunächst per Skype geführt, doch schon bald folgte die Einladung an jene Schule im Wedding, wo sie nun unterrichten wird.

"Klar, der Wedding gilt als hartes Pflaster, die meisten Kinder haben einen Migrationshintergrund", sagt Lahnsteiner, "aber ich habe auch in Wien unterrichtet und freue mich jetzt einfach auf meine neue Aufgabe." Außerdem findet sie, Berlin sei "eine extrem coole Stadt".

Anpassungskurs nötig

Allerdings wird Lahnsteiner – wie viele andere österreichische Kolleginnen und Kollegen – nicht sofort voll loslegen können. Da sich die Lehrpläne doch von den österreichischen unterscheiden und die Grund/Volksschule in Berlin auch sechs Klassen hat, müssen die "Ösis" zunächst einen "Anpassungskurs" absolvieren.

Deshalb stimmt das auch mit dem angeblich so hohen Gehalt nicht ganz. "Es ist dann doch niedriger, weil wir ja noch ausgebildet werden, aber dennoch höher als in Österreich", erklärt Lahnsteiner.

56 sind zu wenig

Während Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) mit der Aktion zufrieden ist, kommt Kritik von der Linken-Bildungssprecherin Regina Kittler. Sie wünscht zwar den Österreichern ein "herzliches Willkommen", sagt aber auch: "Diese 56 werden das Grundproblem nicht lösen. Berlin muss vor allem eigene Ressourcen erschließen – durch höhere Ausbildungsquoten an den Berliner Universitäten und Hochschulen, denn gegenwärtig schließen nur 40 Prozent der auf Lehramt Studierenden dieses auch ab." (Birgit Baumann aus Berlin, 8.8.2016)