Efgani Dönmez hat keine Berührungsängste nach rechts. Hier referiert er bei den Freiheitlichen über Asyl, Islam und Integration.

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Wien/Linz – "Der beste Mann der Grünen", lautet ein Eintrag auf der Facebook-Seite von Efgani Dönmez. Dabei spricht Dönmez nur für sich selbst, nicht für die Grünen, das würden sich diese verbitten. Aber der türkischstämmige Oberösterreicher, der acht Jahre für die Grünen im Bundesrat saß, ist derzeit omnipräsent: Interviews im ORF oder auch bei freiheitlichen Publikationen, Gastkommentare in diversen Medien – der Mann hat eine Agenda: Dönmez tritt auf gegen "reaktionäre (islamistische) Kräfte, die vom Ausland gesteuert werden und die eine islamistische Agenda verfolgen". Er bekämpft die Erdoğan-Anhänger in Österreich, verbunden zumeist mit einem Rundumschlag gegen SPÖ und die Grünen, denen er sich einst so verbunden gefühlt hat.

Wann genau die parteiinterne Stimmung gekippt ist, lässt sich schwer ausmachen. Es war wohl ein schleichender Prozess – vom Vorzeigemuslimen mit den direkten bis deftigen Ansagen hin zur Persona non grata.

Grüner Vorzeigemigrant

Damals, im April 2008, war Dönmez noch der Mann der grünen Stunde. Der erste türkischstämmige Abgeordnete, der Vorzeigemigrant, der es in Österreich geschafft hat – und damit eines Bundesrattickets aber so was von würdig war. Doch die ersten Probleme sollten bald auftauchen: Der Bundesratssitz war noch nicht einmal richtig angewärmt, da fing der türkischstämmige Oberösterreicher nämlich schon die erste Breitseite aus den eigenen Reihen ab.

"Kameltreiber aus Anatolien"

Grund dafür waren provokante Statements etwa über "Kameltreiber aus Anatolien", die sich in Gebetshäusern als Imame aufspielen. Als Dönmez One-Way-Tickets für österreichische Erdoğan-Anhänger fordert, ist die Parteispitze schon weniger entspannt – und fordert eine Entschuldigung.

Im Oktober 2015 flog er aus dem Bundesrat. Die Partei habe eben "sein Potenzial" nicht erkannt. Heute ist Dönmez immer noch grünes Parteimitglied – mit einer Offenheit hin zu politischen Mitbewerbern – auch zur FPÖ. So war der anerkannte Migrations- und Islamexperte Ende Jänner als Gastredner bei einer Abendveranstaltung der Freiheitlichen Arbeitnehmer Oberösterreich geladen.

Netz von Einflüsterern

Mit der Diskussion rund um die Pro-Erdoğan-Kundgebung vom 16. Juli in Wien fühlt sich Dönmez bestätigt: "Viele Jahre habe ich vor so einer Situation immer wieder gewarnt – und wurde innerhalb der Grünen als islamophob bezeichnet. So etwas passt halt nicht in das Weltbild der Grünen." Ein "Netz von Einflüsterern" rund um Parteichefin Eva Glawischnig verhindere einen offeneren Zugang bei diesem Thema. Dönmez: "Was keiner bemerkt, ist, dass man sich der Bevölkerung entfremdet."

Spreu vom Weizen trennen

Die Grünen, aber auch die SPÖ, hätten viel verschlafen. "Wir brauchen nicht mehr Solidarität und mehr Integration. Man muss die Spreu vom Weizen trennen – und endlich erkennen, dass man nicht alle integrieren kann."

Für Aufregung sorgte bei Dönmez jüngst ein Artikel in der "Kronen Zeitung", dem zufolge die Grünen Migrantinnen Wien neben der Stadt Wien und dem Land Salzburg eine Studie zum Thema Islamophobie des AKP-nahen Thinktanks Seta mitfinanzierten. "Wo sind die angerannt, manche meiner Grünen Kolleginnen", postete er auf Facebook. "Finanzieren Wiener Grüne Muslimbrüder?" Studienautor Farid Hafez wurde gar als radikaler Muslimbruder bezeichnet. Das weisen die Wiener Grünen scharf zurück. Hafez äußerte sich auf Facebook: Er habe "null Komma Josef Verständnis" für die Behauptungen. Die Grünen sehen eine Schmutzkübelkampagne der Neos, die mit der Kritik bezüglich der Finanzierung des Berichts an die Öffentlichkeit gingen.

Störende Wortwahl

Wenn man jemanden wegen Intoleranz kritisiert, sollte man nicht dieselbe Intoleranz an den Tag legen", sagt Grünen-Abgeordnete Alev Korun – geboren in Ankara, seit 2008 im Parlament. Auch die kurdischstämmige Parteikollegin Aygül Berivan Aslan – sie folgte 2013 – stört die Wortwahl, aber: "Wo ich ihm recht gebe, ist bei den radikalen Islamisten." Der Verfassungsschutz müsse alle Vereine unter die Lupe nehmen, und "wo es gravierende Fälle gibt, müssen die dann zusperren". Dass es die gibt, daran hegt sie keinen Zweifel.

Gegen rechtsextreme und religiös-fundamentalistische Gruppierungen gebe es Gesetze, sagt Korun: "Nach diesen Gesetzen muss der Staatsschutz gegen extreme und gefährliche Gruppen oder Vereine vorgehen, ohne Unterscheidung nach Herkunft oder Religion, ob deutsch- oder türkisch-nationalistisch".

Politische Polarisierung

Aslan hält "guten Kontakt etwa zur Gruppe der säkularen Türken und Türkinnen". Kollegin Korun warnt davor, von "der türkischen Community" zu sprechen: "Die gibt es so nicht, da diese Gruppe politische Überzeugungen von kommunistisch über bürgerlich bis extrem rechts beinhaltet. Die politische Polarisierung in den türkisch-kurdischen Communitys hat aber in den letzten Jahren stark zugenommen entlang der Frage, ob pro-AKP oder AKP-kritisch." Verschlechtert habe sich die Stimmung seit den Protesten im Gezi-Park 2013 und der Armenien-Genozid-Erklärung der österreichischen Parlamentarier aus dem Vorjahr. Seitdem würden sich viele Türken von den österreichischen Parteien nicht mehr vertreten fühlen – ein Grund, warum eine eigene Liste bei der kommenden Nationalratswahl antreten will, ist Aslan überzeugt.

Diffamierungskampagne

Aslan erlebt selbst heftige Anfeindungen. "Die Diffamierungskampagne läuft seit einem Jahr, hauptsächlich über die sozialen Medien", erzählt die Politikerin. "Sie wollen prinzipiell keine kurdischstämmige Politikerin im Parlament." Offenbar hoffe man, dass "Wahnsinnige reagieren". Sie selbst will weiter Menschenrechtsverletzungen in der Türkei anprangern und für die Pressefreiheit kämpfen: "Ich will nicht Sklavin meiner Angst sein." (mro, pm, rwh, völ, 8.8.2016)