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Im Wettbewerb um mediale Aufmerksamkeit hat dabei ein Kandidat wie Trump bessere Chancen als Hillary Clinton: "The Donald" attackiert und beleidigt Frauen, Schwule, Muslime, Veteranen und last not least Medien und Journalisten, um im Gespräch zu bleiben.

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Stephan Russ-Mohl ist Professor für Journalistik und Medienmanagement sowie Leiter des European Journalism Observatory an der Università della Svizzera italiana in Lugano.

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Skandale scheinen an Donald Trump ebenso abzugleiten, wie der "Bullshit", den er tagtäglich neu verbreitet, für ihn bislang folgenlos geblieben ist. Zuletzt meinte er, Atomwaffen seien dazu da, um sie auch einzusetzen, und er meinte außerdem, der New York Times Nachhilfeunterricht in journalistischem Schreiben erteilen zu müssen. Ob die kritischen Stimmen, die sich seither vernehmbarer in der Republikanischen Partei regen, mehr sind als ein Theaterdonner im Sommerloch, bleibt abzuwarten.

Als sei er aus Teflon, hat ihm bisher weder erkennbar geschadet, dass an seiner Trump University gutgläubige Studierende betrogen wurden, noch der Nachweis der Fact-Checking-Plattform politifacts, dass drei Viertel seiner Statements überwiegend oder gänzlich falsch oder schlicht als Brandstiftung zu werten sind.

"The Donald" führt Journalisten und Medien "am Nasenring durch die Manege der Öffentlichkeit", so sieht das nicht nur der Heidelberger Amerikanist Tobias Endler. Aber wie konnte Trump das gelingen? Weshalb könnte ein weiterhin unglückseliges Zusammenwirken von "alten" und "neuen" Medien den egomanen Außenseiter und Politclown ins Weiße Haus geleiten?

Natürlich tickt die politische Öffentlichkeit in den USA anders als in Europa. Aber diesseits wie jenseits des Atlantiks sind Populisten zunehmend Spielführer, die seriösere Wettbewerber um politische Ämter vor sich hertreiben und ganz offensichtlich die berechenbaren Reflexe der Medien besser zu bedienen wissen.

Donald Trump ist dafür das derzeit beste Beispiel: Er hat inzwischen ernsthaft Aussichten, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Siegen kann Trump, weil er einerseits so dummdreist agiert, dass ihn weder die politischen Eliten noch die Journalisten rechtzeitig als Gefahr ernst genommen haben; zum anderen aber auch, weil er die Klaviaturen der alten und der neuen Medien hochprofessionell bespielt.

Wegen des komplizierten Vorwahlsystems sind Wahlkämpfe in den USA noch ausgeprägter als auf dem Alten Kontinent "Horserace"-Inszenierungen der Medien. Wie eine Studie der Harvard-Universität festgestellt hat, ging es bei 56 Prozent der Berichte von US-Leitmedien zu den Vorwahlen vor allem darum, wer in der jeweiligen Runde die Nase vorn hat. Ganze elf Prozent der Medienberichte hätten sich den "eigentlichen politischen Themen" gewidmet.

Ordinär ist unterhaltsam

Im Wettbewerb um mediale Aufmerksamkeit hat dabei ein Kandidat wie Trump bessere Chancen als Hillary Clinton: "The Donald" attackiert und beleidigt Frauen, Schwule, Muslime, Veteranen und last not least Medien und Journalisten, um im Gespräch zu bleiben. Er verstößt dabei gegen alle Regeln politischer Korrektheit. Trump ist im Medienzirkus omnipräsent, weil seine Provokationen hohen Unterhaltungswert haben, aber auch deren Zurückweisung berechenbar für Medienaufmerksamkeit sorgt. Sein rüpelhaft-ordinäres Auftreten kommt dabei in den Medien besser "rüber" als Clinton, die sich "staatsmännisch" gibt und dabei maskenhaft distanziert wirkt, um nicht zu sagen: konventionell und ein wenig langweilig.

Dem politischen Chefkorrespondenten von CNN, Jake Tapper, zufolge nehmen Reporter die Kandidaten zu selten mit kritischen (Nach-)Fragen in die Zange. Doch das ist nur ein Teilaspekt der viel komplizierteren Wirklichkeit.

Der Leiter des Wesleyan Media Project, Travis Ridout, schätzt, Trump habe schon vor seiner Nominierung Gratisaufmerksamkeit der Medien generiert, die rund zwei Milliarden Dollar wert war. Dieses Spiel dürfte ihm seit seiner Nominierung noch besser gelingen. Indem er Unsägliches und Undenkbares sagt und sein Spieltrieb noch nicht einmal gedanklich vor Atomwaffeneinsatz zurückschreckt, ist ihm die Aufmerksamkeit aller Medien sicher. Die Empörungskommunikation der etablierten "Legacy Media" ist dabei eher kontraproduktiv und manchmal auch scheinheilig:

Virale Echokammern

Indem sie jeden Furz von Trump zur Schlagzeile aufmotzen, spielen sie ihm womöglich mehr in die Hände, als dass sie ihn ausbremsen könnten.

Erst das Zusammenwirken von "alten" Massenmedien und neuen Internetplattformen vermag indes Trumps Erfolgsstory halbwegs zu erklären. "The Donald" ist auf Youtube, Facebook, Twitter und Snapchat "viral" präsent. Dabei sind die Echokammern, die in den sozialen Netzwerken entstanden sind, weithin gegeneinander abgeschottet. Die verfeindeten Lager schmoren in ihrem eigenen Saft und schirmen sich in ihrer jeweiligen "filter bubble" gegen den Rest der Welt ab, wobei sich Unfug und Schwarz-Weiß-Malerei rasend schneller verbreiten als die Meldungen seriöser Medien.

Die zunehmende Polarisierung im Netz wirkt inzwischen allerdings, wie eine Studie des Pew Research Center zeigt, tief in die gesamte US-Gesellschaft hinein. Zugleich gibt es Auflösungserscheinungen auf beiden politischen Seiten – nicht zuletzt, weil die Mitte schrumpft und ihre Flügel links bzw. rechts außen erstarkt sind. Anders als in Europa findet dies nicht nur im Fernsehen und in sozialen Netzwerken mediale Resonanz, sondern auch im Talk-Radio. Rechtslastige Moderatoren wie Rush Limbaugh und Michael Savage geben dort den Ton an und sind Spitzenverdiener.

Doppelte Abwärtsspirale

Als Ursache für Trumps Durchmarsch verweist Tobias Endler auch auf die mangelnde Bereitschaft zur Selbstreflexion unter Journalisten. Weil Einschaltquoten das Maß der Dinge seien, würden die Medien "zu Komplizen des politischen Populismus". Bei den "alten" Medien geschieht das aus schierer Existenznot. Sie müssen aus einer doppelten Abwärtsspirale herausfinden: Vor allem junge Nutzer sind kaum noch bereit, für Journalismus zu bezahlen. Zugleich brechen die Werbeerlöse dramatisch ein, aus denen Redaktionen finanziert wurden. Die "neuen" Medien, also die Plattformen der sozialen Netzwerke und Suchmaschinen, verdienen sich derweil dumm und dämlich – auch mit "Bullshit", den ihre Linkschleudern hemmungslos vervielfältigen und den niemand überprüft, weil die großen Internetkonzerne jedwede redaktionelle Verantwortung ablehnen.

Die Erfolgsgeschichte von Trump steht somit auch dafür, dass sich unsere Aufmerksamkeitsökonomie, die der Wiener Sozialforscher Georg Franck kurz vor der Jahrtausendwende so trefflich beschrieben hat, in eine Desinformationsökonomie transformiert – ohne dass wir das bislang so richtig bemerkt haben. Das ist der Nährboden nicht nur für einen "Hassprediger", wie der deutsche Außenminister Steinmeier Trump charakterisiert hat, sondern für einen neuen Faschismus.

Der Münchner Historiker Hans Woller hat soeben eine neue Mussolini-Biografie vorgelegt, die einen das Fürchten lehrt. Schade nur, dass weder die Anhänger von Trump noch von H.-C. Strache, Frauke Petry, Marine Le Pen und Geert Wilders, geschweige denn die Fans von Erdogan und Putin sie jemals lesen werden. (Stephan Ruß-Mohl, 5.8.2016)