Vor kurzem sind bei der Wienerin Martina Mikulka im fünften Bezirk zwei unbegleitete minderjährige Schwestern aus Afghanistan eingezogen. Nun finden sie in einen Alltag hinein – auch wenn zwei Zimmer fehlen.

"Meine Wohnung liegt im fünften Bezirk. Das finde ich eigentlich ideal, weil ich gern in der Nähe der Innenstadt lebe. Zehn Jahre lang habe ich hier jetzt alleine gelebt: 80 Quadratmeter, drei Zimmer, ein kleiner Balkon.

Foto: Lisi Specht

Am meisten halte ich mich im Ess- bzw. Wohnzimmer auf – besonders jetzt, wo es auch mein Arbeitszimmer geworden ist. Denn mein früheres Ar-beitszimmer habe ich vor sieben Wochen aufgegeben, als zwei unbegleitete afghanische minderjährige Schwestern bei mir eingezogen sind, deren Namen nicht in der Zeitung stehen sollten. Ich bin es gewohnt, alleine zu wohnen, und habe mein ganzes Leben noch nie Platznöte gehabt. Das ist also für mich eine ganz neue Erfahrung.

Warum ich mich dafür entschieden habe? Das klingt sehr hehr: Als vor einem Jahr so viele Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind, habe ich mir gedacht: Wir müssen teilen lernen. Ich hatte damals das Gefühl, dass der Staat an seine Grenzen stößt. Ein Antrieb war auch, dass ich eine andere Kultur kennenlernen wollte.

Der Verein KUI, der sich um minderjährige Flüchtlinge kümmert, hat dann die beiden Mädchen an mich vermittelt. Ich habe sie zuerst einige Male in Traiskirchen, wo sie seit Februar gelebt haben, besucht. Dann kamen sie mich probeweise für einzelne Wochenenden besuchen. Schließlich habe ich mich zu dem Schritt entschieden.

Foto: Lisi Specht

Das Schwierigste ist derzeit noch die Kommunikation: Man kann über nichts im Detail reden. Das Notwendigste geht auf Englisch – so machen wir uns zum Beispiel aus, wann gegessen wird. Einmal in der Woche kommt ein Dolmetscher vorbei. Aber die Feinheiten gehen nicht. Am schwierigsten finde ich, dass man ohne gemeinsame Sprache keinen Spaß machen kann. Aber das Deutsch der beiden wird jetzt schon besser, weil sie einen Deutschkurs machen.

In meinem Wohnalltag hat sich seit ihrem Einzug alles verändert: Auf einmal bin ich nicht mehr alleine. Wobei meine Routine ähnlich geblieben ist, das war mir wichtig. Am Anfang habe ich mich schon ein bisschen bedrängt gefühlt. Es ist wichtig, im Alltag Regeln aufzustellen und ihnen klarzumachen: Ich bin nicht die Mama. Das funktioniert gut. Die beiden sind sehr rücksichtsvoll.

Langsam finden wir in einen gemeinsamen Alltag hinein: Frühstück machen sie sich selbst, zu Mittag koche ich meistens für uns alle. Das fängt an, mir Spaß zu machen. So koche ich etwas Ordentliches, was man alleine nicht macht. Und ich probiere Sachen aus, die ich noch nie gemacht habe. Am Abend lernen die Mädchen. Das ist jetzt das Wichtigste.

Foto: Lisi Specht

Ich bin zufrieden mit meinem Wohnen. Perfekt wäre es, wenn wir zwei zusätzliche Zimmer hätten. Einen Garten brauche ich nicht, das wäre mir zu viel Arbeit. Ich beschäftige mich lieber mit meiner künstlerischen Fotografie und Kunst im Allgemeinen. Ein Studio wäre mir also wichtiger.

Beim Wohnen habe ich es gerne modern. Meine Möbel haben sich im Laufe der Jahre so ergeben. Ich bin nach einer Scheidung hier eingezogen und habe die Möbel aus der gemeinsamen Wohnung übernommen. Die Couch und der Esstisch gefallen mir noch immer. Den Schreibtisch habe ich aus den USA mitgenommen, wo ich zehn Jahre lang gelebt habe. Die Vitrine hat meinen Eltern gehört. Daran habe ich ganz spezifische Kindheitserinnerungen.

Manchmal, wenn ich an Neubauten vorbeigehe, reizt es mich, dort noch einmal von vorn anzufangen. Ich bin viel umgezogen – länger als hier habe ich noch nie in einer Wohnung gelebt. Mit Fremden zu wohnen ist eine Dimension, die man sich nicht vorstellen kann, wenn man es nicht gemacht hat. Wohnen ist für mich nämlich etwas sehr Intimes – aber darauf haben die beiden auch einen Anspruch." (15.8.2016)