Wien – Die EU-Grenzschutzagentur Frontex lässt die Kritik von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) an ihrer Arbeit nicht auf sich sitzen. "Frontex ist so stark, wie es die Mitgliedstaaten zulassen. Und wir sind stark", sagte Frontex-Vizedirektor Berndt Körner der Tageszeitung "Die Presse" (Freitagsausgabe). Die Kritik Doskozils "tut weh", beklagte der österreichische Spitzenbeamte.

Doskozil wirbt bereits seit Monaten dafür, einen zivil-militärischen Einsatz an den EU-Außengrenzen einzurichten, weil die EU-Agentur Frontex für diese Aufgabe nicht geeignet sei. Am Mittwoch bekräftigte der Ex-Polizist seine Kritik im Ö1-Morgenjournal. "Ich habe immer gesagt, Frontex wird nicht in der Lage sein, Außengrenzsicherung zu organisieren, Frontex wird nicht in der Lage sein, Hotspots zu betreiben, Frontex wird nicht in der Lage sein, Rückführungen zu machen", sagte der SPÖ-Politiker.

Körner sagte, diese Kritik tue den mehr als 1000 Mitarbeitern von Frontex Unrecht. "Die Arbeit der vielen Leute quer durch Europa sollte ein wenig mehr anerkannt werden. Da passiert viel im Verborgenen, und wenn man hört, man sei unfähig oder zu langsam, tut das weh", meinte der frühere Leiter der Abteilung Fremdenpolizei und Grenzkontrolle im österreichischen Innenministerium. Er räumte ein, dass die Funktion der EU-Agentur "manchmal verkannt" werde. "Ich treffe mitunter auf Publikum, das mich ganz erstaunt ansieht, wenn ich sage, Frontex hat kein eigenes Personal, keine eigenen Schiffe."

Auch bei den Rückführungen könnte Frontex "nur unterstützen". Dennoch habe es heuer bis Juni bereits 70 Flüge gegeben, "um fünf mehr als im gesamten Vorjahr". Im Gesamtjahr dürfte sich die Zahl somit verdoppeln oder verdreifachen.

Körner berichtete, dass Frontex auch an der ungarisch-serbischen Grenze im Einsatz sei. Mit Blick auf das umstrittene Vorgehen der ungarischen Behörden gegen Flüchtlinge betonte er: "Alle unsere Beamten sind verpflichtet, uns über jeden Grundrechtsverstoß zu informieren". Künftig werde Frontex Missionen sogar abbrechen können, "falls sie nicht unseren Voraussetzungen entsprechen". An der ungarisch-serbischen Grenze sind seit dieser Woche auch 20 österreichische Polizisten im Einsatz, Doskozil will auch Bundesheer-Soldaten dorthin schicken.

"Keine Hinweise" hat der Frontex-Vizedirektor darauf, dass der EU-Türkei-Flüchtlingsdeal scheitern könnte. "Die operative Zusammenarbeit mit der Türkei funktioniert." Es lasse sich auch schwer sagen, ob es wieder zu einer Flüchtlingswelle kommen werde. Doch wenn sich eine Gruppe in Bewegung setze, "würde sich sehr schnell binnen einer Woche bis zu zehn Tagen ein neuer Strom bilden". Frontex sei sich bewusst, dass das griechische Grenzgebiet, "nicht unter Kontrolle ist, nur weil die Lage derzeit ruhiger ist". Deshalb habe Frontex auch mehr als 600 Leute in dem Gebiet belassen. (APA, 4.8.2016)