Erfurt – Die Thüringer Polizei hat nach einem MDR-Bericht jahrelang heimlich Telefonate aufgezeichnet. Seit 1999 seien offenbar zehntausende Anrufe ohne Zustimmung der Gesprächspartner automatisch mitgeschnitten worden, wie der Sender am Mittwoch in Erfurt berichtete. Die Staatsanwaltschaft befasst sich nach Angaben des Innenministeriums bereits damit.

Dem Bericht zufolge wurden jahrelang Telefonate von Diensttelefonen der Polizei mitgeschnitten. Betroffen seien die Landespolizeidirektion, die Polizeiinspektionen und das Landeskriminalamt.

Es bestehe aber auch der Verdacht, dass Gespräche mit Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Justizbeamten, Sozialarbeitern oder Journalisten aufgenommen worden seien, die interne Polizeinummern anriefen. Ans Licht kam das Ganze demnach durch einen Staatsanwalt, der herausgefunden habe, dass seine Telefonate ohne sein Wissen gespeichert wurden.

Innenministerium ordnete Aufzeichnungen an

Hintergrund der jahrelangen Abhöraktion ist demnach ein Erlass des Thüringer Innenministeriums vom August 1999. Auf dieser Grundlage wurde in allen Thüringer Polizeidienststellen eine automatisierte Mitschnittfunktion von bestimmten internen Nummern installiert.

Ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums sagte, es müssten jetzt die Hintergründe und Verantwortlichkeiten geklärt werden und geprüft werden, welche Telefonate aufgezeichnet wurden. Es gehe offenbar um die Notruftelefone der Dienstgruppenleiter, die rund um die Uhr besetzt gewesen seien. Inzwischen sei diese Praxis des Aufzeichnens beendet worden.

Grundsätzlich dürfen Telefone von der Polizei nur abgehört werden, wenn ein Richter dies anordnet. In Notfällen, wie bei einer schweren Straftat oder bei der Ortung von Vermissten, darf der Leiter einer Polizeibehörde das Anzapfen des Telefons anweisen. Er muss sich dies aber hinterher von einem Richter bestätigen lassen. Zudem werden Notrufe über die 110 aufgezeichnet. (APA, AFP, 3.8.2016)