Wien – Die einzige Gemeinsamkeit der beiden Stücke Soil Girl und Cosmos The Beach aus der Jungchoreografen-Reihe [8:tension] bei Impulstanz scheint zu sein, dass sie jeweils von drei jungen Frauen getanzt werden.

Das Soil Girl der Norwegerinnen Kristin Ryg Helgebostad, Ida Wigdel und Ingeleiv Berstad ist ein wüster Abgrund, und in Cosmos The Beach beschwört das schwedische Trio Linda Blomqvist, Sandra Lolax und Madeleine Lindh eine bessere Welt.

"Cosmos The Beach".
Foto: Karolina Miernik

Der erste Eindruck im Vergleich: Die schwedische Vision ist hell, klug und schön, die norwegische Dystopie hingegen kommt schrottig und zynisch daher. Tanzen hier drei Grazien und da drei Erinnyen? Ist das wütende, todesnahe und aufrührerische Soil Girl misslungen und der hintergründige und positive Cosmos The Beach ein gelungenes Statement wider den anschwellenden Kulturpessimismus?

Das Publikum mag das nach Gutdünken beurteilen. Dabei kann es nichts falsch machen, denn die Rezeption von Kunst ist so frei wie deren Produktion. Für die Kritik verhält sich's komplizierter, denn die muss auf Eigenschaften von Kunstwerken reagieren, die unter deren bloßem Erscheinen liegen.

Auf dieser forensischen Ebene ist ein Vergleich wie der zwischen Soil Girl und Cosmos The Beach ein echter Genuss. Die Norwegerinnen etwa greifen auf ein Bezugssystem zurück, das in der "Riot Grrrl"-Geschichte verankert ist, die bis zu Pussy Riot reicht.

Tänzerinnen im Tiefenrausch

Seine literarische Grundlage – der Text Jordjenta von Maria Tryto Vennerød – verleiht Soil Girl einen archisch-mythologischen Hintergrund. Zudem erinnern manch dunkle Stimmungen an jene, die sich im Frühwerk von Meg Stuart finden.

Diese Choreografie bringt ihre Qualitäten am deutlichsten zum Vorschein, wenn man an die aktionistische Performancekunst denkt. Denn da war die Nähe zur Implosion einer Vorführung sehr oft Teil des Plans. Wenn die drei Tänzerinnen in Soil Girl also taumeln, grölen, sich in einen von Ventilatoren aufgewühlten Haufen Schaumstoffchips schmeißen, und das alles in einer wild zusammengeschusterten Dramaturgie, dann hat das System.

Da ist der logische Stückaufbau absichtlich verworfen, und mit vorgeschobenem Dilettantismus wird jeder Anschein von Vituosität subvertiert. Helgebostad, Wigdel und Berstad treten als Monster mit durch Plastikmundspreizen gebleckten Zähnen auf, begeben sich in einen Tiefenrausch, aus dem sie am Ende beinahe ungläubig wieder auftauchen.

Die Logiken von Blomqvist, Lolax und Lindh dagegen sind in der Tanzgeschichte der Spät- und Postmoderne bis hin zur konzeptuellen Choreografie verankert. Unverkennbar ist dabei die Nähe der Choreografin Linda Blomqvist zur Arbeit ihres renommierten Kollegen Mårten Spångberg.

Cosmos The Beach ist ein reiches Füllhorn aus Zitaten und Anspielungen, die auf den Faden einer bis ins Feinste durchdachten Musikdramaturgie gefädelt sind. Die Musik aus ganz unterschiedlichen Genres ist insgesamt allerdings gar nicht harmlos.

Der Tanz konterkariert deren abgründige bis gefühlige, teils coole Gehalte und führt die Körper in ein lichtes Gefilde. Ironie und Hingabe, Sensibilität und Abgeklärtheit, Reigentanz und angedeutete Artistik sind ineinandergeflochten. Kleiderwechsel unterstreichen verschiedene Charaktertypen. Und niemals unterläuft den Tänzerinnen auch nur eine hastige Bewegung. Da herrscht eine gnadenlose Sanftheit, die besagt: Wir wollen, dass diese Welt anders wird. Punktum. (Helmut Ploebst, 3.8.2016)