Juliana Barbassa beschreibt die Folgen des großen Sportevents in ihrem Buch "Dancing with the Devil in the City of God – Rio de Janeiro and the Olympic Dream".

Foto: Juliana Barbassa

Seit Freitag laufen die Olympischen Spiele im brasilianischen Rio de Janeiro – erstmals in Südamerika. NGOs kritisierten schon im Vorfeld zahlreiche Menschenrechtsverletzungen wie die Räumungen von Armenviertel, Umweltzerstörungen sowie die Polizeigewalt.

"Die Auswirkungen von Olympia betreffen die Frauen ganz besonders", erzählt Juliana Barbassa. Die in Rio geborene Journalistin hat die Folgen des Sportevents für ihr Buch "Dancing with the Devil in the City of God – Rio de Janeiro and the Olympic Dream" recherchiert.

Sichtschutz für Touristinnen und Touristen

Fast jeder und jede fünfte Carioca, so heißen die Bewohnerinnen und Bewohner der Sechs- Millionen-Stadt Rio, wohnt in einem der sogenannten Elendsviertel, einer Favela. Um das Bild der "Cidade Maravilhosa", der wunderbaren Stadt, für die ausländischen Gäste nicht zu trüben, wurden hohe Mauern um viele dieser Gegenden gebaut. Besonders entlang der Strecke, die vom Flughafen zu den Olympia-Sportstätten führt. Der offizielle Grund: Lärmschutz. Die Favela-Bewohnerinnen und Bewohner verfügen aber oft weder über Strom noch über Kanalisation.

Manche Favela musste komplett den neuen Bauten für die Olympischen Spiele weichen. "Wenn ein Mann sein Zuhause verliert, ist das wirklich schlimm", sagt Juliana Barbassa. "Wenn es aber eine Mutter ist – und es gibt hier viele Frauen, die ihre Kinder allein aufziehen –, dann sind die Folgen meist weitreichender. Weil sie dann die ganze Familie betreffen." Es gebe kein soziales Netzwerk, das Frauen in dieser Situation auffängt. Und Silvia Jura, in Österreich und Brasilien lebende Kultur- und Sozialanthropologin mit Brasilienschwerpunkt, kritisiert: "Die Ressourcen, die für die Spiele verwendet werden, fehlen in anderen Bereichen wie Gesundheit und Bildung."

Mehr Sextourismus

Bereits in den Wochen vor der Großveranstaltung sind tausende Frauen aus anderen brasilianischen Bundesstaaten nach Rio gekommen. "Es gibt viele Frauen, die verzweifelt sind und versuchen, in diesen Tagen Geld als Prostituierte zu machen", sagt Juliana Barbassa. "Das liegt auch an der wirtschaftlichen Krise in unserem Land." Frauen sind auch in Brasilien von den Folgen der Krise besonders betroffen.

"Man muss wissen, dass Frauen in Rio den Großteil der ärmeren Bevölkerung ausmachen und viel öfter in informellen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten", sagt Petra Pint von der österreichischen Organisation Frauensolidarität. "Sie sind also von Preissteigerungen und Zwangsräumungen betroffen." Die Frauensolidarität ist Teil der Initiative Nosso Jogo, die in Brasilien mit lokalen Projektpartnern zusammenarbeitet. Nosso Jogo fordert sowohl von den Veranstaltungsorten als auch vom Internationalen Olympischen Komitee (IOK) bindende Menschenrechtsstandards ein.

Sport und Frauenrechte kommen sich an mehreren Punkten in die Quere: So arbeiten beispielsweise mehrheitlich Frauen in der Sportartikelindustrie. "Es gibt viele inoffizielle Firmen in diesem Bereich: Hinterhoffabriken, in denen die Arbeitsbedingungen so miserabel sind, dass sie Sklavenarbeit nahekommen", sagt Pint.

Gruppenvergewaltigung

Zudem ist in Brasilien Gewalt gegen Frauen immer wieder ein Thema – auch sexuelle Gewalt. Erst im Mai machte der Fall einer 16-Jährigen international Schlagzeilen. Die junge Frau wurde von mehreren Männern vergewaltigt, die Täter stellten das Video ins Netz. Tausende Menschen gingen daraufhin in Großstädten wie São Paulo auf die Straße, um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren. Sieben der Täter müssen sich mittlerweile vor Gericht verantworten.

"Es gab ein paar Verbesserungen in diesem Bereich", erklärt Barbassa. "Jetzt gibt es beispielsweise Polizeistationen, die nur mit Frauen besetzt sind. Wenn Frauen früher zu männlichen Polizeibeamten gingen, wurden sie oft ausgespottet, beschimpft und manchmal sogar nochmals missbraucht." (Milena Österreicher, 8.8.2016)