Die fast täglichen Terroranschläge irgendwo in der Welt, die Gewaltbilder im Fernsehen und die Verschwörungstheorien in sozialen Medien bereiten den Boden für eine Politik der Angst vor. Angst nicht nur vor dem Terror, sondern auch vor den Fremden, den Flüchtlingen, den Einwanderern. Das Programm der Nationalpopulisten besteht vor allem darin, den Untergang zu beschwören und die Botschaft zu verbreiten, dass die Bedrohung ständig zunehme und mehr denn je die starke Hand notwendig sei, um die unverdorbene Nation, den wahren Islam, die bedrängte Kirche vor den destruktiven Einflüssen der Globalisierung zu schützen.

Die starken Männer sind die Nutznießer der populistischen Agitation, die in vielen Varianten auftritt und fast überall an Boden gewinnt. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer, der jede Erklärung der Bundeskanzlerin Merkel aufs Korn nimmt, ist der lautstarke Befürworter der Abschottungspolitik des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán, der sich kürzlich als Erster unter den Politikern der EU voll und ganz für die rassistische Linie des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump ausgesprochen hat. Trump wiederum schätzt laut eigener Aussage Putin als "starken Führer", dieser erwiderte das Kompliment, indem er Trump als talentiert bezeichnete.

Auch in Polen, wo Papst Franziskus auf dem Weltjugendtag in Krakau die Jugend aufrief, barmherzig die Chance zu einer "Zukunft mit Engagement, Zuversicht, Offenheit und Mitgefühl" zu nutzen, ist der Chef der Regierungspartei Jaroslaw Kaczynski ein erfolgreicher Prediger des hasserfüllten Nationalpopulismus. Besonders bedenklich ist die Tatsache, dass 80 Prozent der Polen zwischen 18 und 34 die Aufnahme von Flüchtlingen ablehnen und sich für Grenzkontrollen aussprechen.

Vor diesem düsteren Hintergrund der Tendenz zur kollektiven Panik, gefördert durch nationalistische Brandstifter wie Recep Tayyip Erdogan, erschien Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer letzten Presskonferenz als Fels in der Brandung. Ruhig, gefasst und ohne Pathos vermittelte sie Zuversicht und Kraft. Wie Kardinal Schönborn vor einigen Monaten sagte: "Merkel ist eine sehr mutige, kluge Frau. Sie ist die Person, die am stärksten, am deutlichsten in Europa sagt, wir müssen das Problem gemeinsam schultern." Dieser Mut zur Unpopularität mag bei den nächsten Umfragen Prozente kosten, aber die Bürger – nicht nur in Deutschland! – schätzen Regierungschefs, die auch in der Krise einen kühlen Kopf bewahren.

Dass Merkel auf einem rechtsextremen Internetportal in Österreich mit blutverschmiertem Gesicht – "Merkels Hände sind blutbefleckt" – abgebildet wurde, spiegelt den Hass jener Gruppen, die gestern gegen die Juden und heute gegen die Moslems hetzen. Mit absonderlichen Verdrehungen tun sich auch die Fidesz-Propagandisten in Ungarn hervor: "Merkel ist verrückt geworden, oder sie ist erpresst. Sie ist gemeingefährlich, man müsste sie schnellstens aus dem Amt entfernen." So wörtlich der enge Orbán-Freund, Zsolt Bayer. Merkel bleibt unerschütterlich und strahlt eine bewundernswerte Willenskraft aus. Dafür bewundere ich sie. (Paul Lendvai, 1.8.2016)