Schwarze Raucher in der Tiefsee sind wahre Oasen des Lebens. Wie die Bewohner dieser heißen Quellen sich ausbreiten, war allerdings bisher rätselhaft.

Foto: Universität Bremen

Kiel – An heißen Tiefseequellen gedeihen hochspezialisierte Gemeinschaften von Lebewesen. Obwohl zwischen den einzelnen Hydrothermalsystemen oft hunderte, manchmal sogar tausende Kilometer liegen, unterschiedet sich die Zusammensetzung der jeweiligen Bewohner kaum. Wie also können die Larven der betreffenden Tierarten von einem Standort zum nächsten gelangen? Einer internationalen Gruppe von Forschern ist es nun mithilfe von ozeanographischer Modellierung und genetischen Analysen an Muscheln gelungen, das Rätsel zumindest teilweise zu lösen: Offenbar existieren viele bisher nicht entdeckte Hydrothermalquellen, die den Wesen als Zwischenstationen dienen.

Riesige blumenartige Röhrenwürmer, fußlange Muscheln, gepanzerte Schnecken, geisterhaft anmutende Fische ― dieses sind nur einige Beispiele für die einzigartige Artenvielfalt an heißen Quellen in der Tiefsee, auch Hydrothermalsysteme oder "Schwarze Raucher" genannt. Die Entstehung dieser Ökosysteme ist an tektonische oder vulkanische Aktivität im Ozeanboden gebunden. Einzelne Hydrothermalfelder liegen oft sehr isoliert in der sonst vergleichsweise lebensarmen Tiefsee. In vielen Fällen, wie zum Beispiel am Mittelatlantischen Rücken, sind sie sogar mehrere hundert bis tausende von Kilometern voneinander entfernt. Viele Tiere, die an Hydrothermalschloten wohnen, sind im erwachsenen Stadium am Untergrund festgewachsen. Daher können nur ihre Larven von einem Standort zum anderen gelangen.

Rätsel um Austausch über große Entfernungen

Wie so ein Austausch zwischen verschiedenen Populationen möglich ist, blieb Wissenschaftern bisher ein Rätsel ― nicht zuletzt, weil die Untersuchung der Larvenverteilung im Ozean praktisch unmöglich ist. Eine internationale Gruppe von Forschern aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Kanada und den Vereinigten Staaten unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel veröffentlichte nun eine Studie, die neues Licht auf dieses Phänomen wirft.

"Um den Austausch zwischen verschiedenen Hydrothermalfeldern am Mittelatlantischen Rücken zu erfassen, haben wir eine Kombination aus hochauflösenden genetischen Analysen und Computersimulationen der Larvenverteilung verwendet. Als Beispielorganismus haben wir Muscheln der Gattung Bathymodiolus gewählt, da diese Tiere Schlüsselarten in Hydrothermalökosystemen sind", sagt Corinna Breusing vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Erstautorin der Studie, die in der Fachzeitschrift "Currrent Biology" erschien.

Pionierarbeit

"In der Tiefsee gibt es so gut wie keine Messdaten zu Strömungsmustern. Wir mussten mehrere Ozeanmodelle und Codes anpassen, bis wir schließlich eine realistische Simulation für die Verdriftung der Larven erhalten haben", erläutert Arne Biastoch vom GEOMAR. Spannend sei für ihn auch gewesen, dass die Modellierungsdaten anschließend mit molekularbiologischen Analysen untermauert wurden – "Das ist eine Kombination, die nur selten angewendet wird", sagt Biastoch.

Da bisher keine geeigneten genetischen Daten für Bathymodiolus existierten, musste die Arbeitsgruppe auch die molekularen Marker für die Analyse der Verwandtschaftsverhältnisse selbst entwickeln. So haben die Autoren herausgefunden, dass es zwar einen Austausch zwischen den bisher bekannten Muschelpopulationen gibt. Dieser scheint jedoch nicht direkt innerhalb einer Generation zu erfolgen, weil die Muschellarven normalerweise nicht weiter als 150 Kilometer verdriften.

"Im Umkehrschluss heißt das, dass es unentdeckte Hydrothermalquellen oder ähnliche Lebensräume am Mittelatlantischen Rücken geben oder gegeben haben muss, die als eine Art Zwischenstopp dienen und somit die Verbindung der Populationen ermöglichen. Wir bezeichnen diese Habitate als Phantomtrittsteine, da wir nicht wissen wo sie sind oder wie sie beschaffen sind", sagt Thorsten Reusch vom GEOMAR. (red, 31.7.2016)