Kerstin Suchan-Mayr ist seit 2010 Stadtchefin von St. Valentin. Die gelben Enzis gehören zu den urbanen Seiten der Kleinstadt.

Foto: Fellner

St. Valentin – Nein, genervt ist sie nicht von der Frage nach ihrem Sohn. Aber es erstaunt Kerstin Suchan-Mayr, dass es bei männlichen Bürgermeistern kein Thema ist, wenn sie in ihrer Amtszeit Nachwuchs bekommen: "Es herrscht erst dann Gleichberechtigung, wenn man meine Kollegen auch fragt: Wie kommst du mit Kind und Familie zurecht?" 2012 kam der Sohn der Bürgermeisterin von St. Valentin zur Welt.

Als Amtsinhaberin hatte sie keinen Anspruch auf Mutterschutz oder Karenz – was im väterkarenzfaulen Österreich bis dahin niemandem wirklich aufgefallen war. Also kam Sohn Martin im ersten Jahr einfach mit in die Amtsstube der fast 10.000 Einwohner zählenden Stadt. Und später in die städtische Krippe, die Suchan-Mayr als Stadträtin im Jahr 2000 eröffnet hatte. Da wusste sie nicht, dass sie die Betreuungseinrichtung später selbst nutzen würde.

Klassische SPÖ-Karriere

Das Amt ist der Kindergartenpädagogin und studierten Soziologin passiert, und das unter tragischen Umständen. Ihr Vorgänger verstarb zwei Monate vor der Gemeinderatswahl. Sie war seine Vize. Da war keine Zeit, die örtliche SPÖ neu aufzustellen. "Es war ganz klar: Ich übernehme diese Herausforderung", sagt Suchan-Mayr. Man hätte nicht gewusst, wie das ankommen würde, bei der Wahl hat die SPÖ dann aber zwei Mandate zugelegt. 2015 verliert die Partei zwar einen knappen Prozentpunkt, hält aber bei mehr als 60 Prozent der Stimmen.

Vater Arbeiter, Mutter Hausfrau, Rote Falken, Kinderfreunde – die 41-jährige Bürgermeisterin hat eine klassische SPÖ-Karriere hinter sich, sie wurde groß, "wie man in unseren Organisationen eben groß wird". Erstes politisches Engagement zeigte die spätere Bürgermeisterin in der Schule, als sie mit Kollegen für einen Jugendraum kämpfte. Und, sobald der gebaut war, dort eine Ortsgruppe der Sozialistischen Jugend gründete.

Hotelmeile und Eierautomat

St. Valentin scheint sich selbst nicht ganz sicher zu sein, ob es Dorf oder Stadt ist. Direkt an der Westbahn gelegen, braucht der InterCity nur eine Stunde zwanzig nach Wien, die Allee beim Bahnhof säumen Hotels und Restaurants. Wenige Meter entfernt steht ein Eierautomat, an der Hauptstraße thront ein Vierkanthof. "Der größte im Mostviertel", fügt die Bürgermeisterin hinzu.

Weit weg von alldem, dort, wo früher Panzer für die Nazis hergestellt wurden, produziert Magna Autoteile und Steyr Traktoren. Ihre Standorte liegen fernab vom Ort selbst, aber noch auf Gemeindegebiet – und spülen so ordentlich Geld ins Budget. Genauso wie 34.927 zahlende Gäste, die 2015 in St. Valentin übernachteten.

Neue Veranstaltungshalle soll Ortsteile einen

Geld, mit dem man etwas machen kann. Suchan-Mayr hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Gemeinde zusammenzuführen. Denn die Bahn, erklärt sie, teilt die Stadt in ein "Hüben und Drüben". Hier die eher bürgerliche Hälfte mit Ortskern und Vierkanter, dort Siedlungen für die Arbeiter. Auch das Vereinsleben ist in Ost und West und – wir sind in Österreich – Rot und Schwarz geteilt, samt eigenen Veranstaltungszentren.

"Ich will, dass wir in der Gemeinde zusammenwachsen und das überwinden", sagt die rote Bürgermeisterin mit Amtssitz am bürgerlichen Hauptplatz. Deshalb lässt die Stadt nun eine eigene Halle bauen, samt internationalem Architekturwettbewerb.

Wenn das erledigt ist, will Suchan-Mayr ihr nächstes Projekt angehen: ein kommunales Pflegeheim. Damit die St. Valentiner Senioren den Lebensabend im Ort verbringen können. Gemeinsam. (Sebastian Fellner, 1.8.2016)