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Anhänger des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan schwenkten am 31. Juli 2016 in Köln (Nordrhein-Westfalen) türkische Fahnen. Mehrere Tausend Deutschtürken sind zu einer Pro-Erdoğan-Demonstration in Köln zusammengekommen.

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Die Demonstranten in Köln wollen den umstrittenen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan unterstützen.

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Auch Wasserwerfer standen bereit.

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Köln/Brüssel – Eine Großkundgebung in Köln mit tausenden Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist am Sonntag weitgehend friedlich verlaufen. Die Polizei sprach von rund 40.000 Teilnehmern. Die Gegendemonstranten mobilisierten mehrere hundert Anhänger. Vereinzelt gab es Zwischenfälle, doch gelang es der Polizei weitgehend, die verschiedenen Lager zu trennen. Polizeipräsident Jürgen Mathies zeigte sich in einer Zwischenbilanz zufrieden mit dem Einsatzverlauf.

Zu der türkischen Großdemo am rechten Kölner Rheinufer hatte eine "Plattform für Demokratie – gegen Staatsstreich" aufgerufen, der mehr als 100 Vereine und Gruppen angehören. Einer der Mitveranstalter, die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), hatte mit insgesamt "30.000 bis 50.000 Teilnehmern" gerechnet.

Viele Pro-Erdoğan-Demonstranten schwenkten türkische Fahnen, einige auch die deutsche Flagge. Ihnen standen hunderte Gegendemonstranten gegenüber. Insgesamt waren vier Gegenveranstaltungen angemeldet, unter anderem aus dem linken Spektrum sowie von Jugendorganisationen deutscher Parteien.

Rund 650 Gegendemonstranten versammelten sich auf dem Kölner Heumarkt. Dort kam es nach Polizeiangaben am Nachmittag zu einer Auseinandersetzung zwischen rund 80 rechtsnationalen Türken und mehr als hundert kurdischen Teilnehmern des linken Aufzugs. Mehrere Rauchbomben seien gezündet worden. Die Polizei konnte beide Lager trennen. Über mögliche Verletzte war zunächst nichts bekannt.

Großaufgebot der Polizei

Vor dem Kölner Bahnhof demonstrierten nach Polizeiangaben rund 250 Anhänger der rechten Partei Pro NRW, darunter auch eine "größere Anzahl" Hooligans. Ein Polizeisprecher beschrieb die Stimmung als "durchaus aggressiv". Es gab Personenkontrollen und zahlreiche Durchsuchungen. Die Kundgebung der Rechten wurde letztlich aufgelöst.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot von rund 2.700 Beamten im Einsatz, um die Demonstrationen abzusichern und Auseinandersetzungen zu verhindern. Acht Wasserwerfer und gepanzerte Räumfahrzeuge standen bereit.

Polizeipräsident erklärte am Abend, der gesamte Einsatz sei "bisher positiv verlaufen" und "sehr richtig kalkuliert" gewesen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) lobte die "große Umsicht und Professionalität" der Polizei bei dem "brisanten und komplexen" Einsatz.

Im Vorfeld der Großkundgebung hatte es eine sehr emotionale Debatte gegeben. Deutsche Politiker warnten vor einer Spaltung der in Deutschland lebenden Türken. Auch über ein Verbot der Demo war diskutiert worden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte der "Süddeutschen Zeitung" vom Samstag, innenpolitische Spannungen aus der Türkei nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern, "das geht nicht".

Videozuschaltung verboten

Eine von den Veranstaltern geplante Zuschaltung von ausländischen Rednern wie dem türkischen Präsidenten Erdoğan per Videoleinwand war verboten worden. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Samstagabend einen Antrag, dies doch zuzulassen, aus formalen Gründen abgewiesen.

Die türkische Präsidentschaft kritisierte die Entscheidung. Dies sei "unannehmbar", erklärte Erdoğans Sprecher Ibrahim Kalin am Sonntag. Es handle sich um einen Verstoß gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Auf dem Kundgebungsprogramm stand auch die Verlesung einer Erklärung auf deutscher und türkischer Sprache. Darin wurde laut vorab veröffentlichtem Text mit Blick auf den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli der Beistand "der freien Welt und aller demokratischen Staaten mit der Türkei, ihrem Volk und ihrer Regierung" eingefordert. Auch mehrere hundert Sicherheitsbeamte und Zivilisten hätten "ihr Leben im Kampf für die Demokratie und Freiheit in der Türkei gelassen", hieß es weiter.

Medien wurden "einseitige und voreingenommene Berichte" vorgeworfen. In der Erklärung wurden zugleich die jüngsten teils extremistischen Gewalttaten in Deutschland und Europa verurteilt. Sie seien "eine Schande für unsere freie und friedliche Zivilisation".

Drohungen

Die EU-Kommission will sich unterdessen im Visa-Streit mit der Türkei von neuen Drohungen aus Ankara nicht beeinflussen lassen. Die Visumfreiheit für türkische Bürger werde es nur dann geben, wenn alle Bedingungen erfüllt seien, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. "Die Türkei hat zugesagt, die Vorgaben zu erfüllen (...) und wir erwarten, dass sie diesen Verpflichtungen nachkommt."

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte zuvor ultimativ mit der Aufkündigung des Flüchtlingspakts gedroht, wenn türkischen Reisenden nicht bis zu einem festen Datum Visumfreiheit gewährt werden sollte. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte er: "Wenn es nicht zu einer Visaliberalisierung kommt, werden wir gezwungen sein, vom Rücknahmeabkommen und der Vereinbarung vom 18. März Abstand zu nehmen." Seine Regierung erwarte einen konkreten Termin für die zugesagte Visumfreiheit, sei es Anfang oder Mitte Oktober.

Zu den noch offenen Bedingungen für die Gewährung der Visumfreiheit zählt unter anderem eine Reform der türkischen Antiterrorgesetze. Die EU will, dass sie so geändert werden, dass sie nicht gegen politische Gegner missbraucht werden können.

Experten der EU-Kommission stünden weiter bereit, um die Regierung in Ankara bei der Umsetzung der noch notwendigen Reformen zu beraten und zu unterstützen, hieß es am Sonntag aus der EU-Kommission. (APA, 31.7.2016)