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Zuletzt hatte – Ende Juli 2015 – der russische Premier Dmitri Medwedew die Vrsic-Gedenkstätte besucht. Am Samstag reist diesmal sogar sein Chef Wladimir Putin an.

Foto: Reuters / Srdjan Zivulovic

Ljubljana/Sarajevo – Je kleiner das Land, desto größer die Aufregung. Am Samstag wird der russische Präsident Wladimir Putin nach Slowenien kommen, um an einer Gedenkfeier zum 100. Jahrestag des Todes von 110 russischen Kriegsgefangenen teilzunehmen. Seit Wochen ist der kleine mitteleuropäische Staat deshalb in Alarmstimmung. Die slowenische Regierung informiert unentwegt über die Ausweichrouten und ein mögliches Verkehrschaos, nachdem wegen der Sicherheitsvorkehrungen einige Straßen in Slowenien ganz gesperrt werden müssen.

Im Hintergrund geht es nicht nur um das Gedenken an historische Ereignisse, sondern auch um Politik. Der ehemalige Präsident von Slowenien, Danilo Türk, möchte gerne UN-Generalsekretär werden. Er liegt nach einer ersten internen Abstimmung an zweiter Stelle nach dem Portugiesen António Guterres. Türk gilt als gut vernetzt, mit engen Kontakten zu Russland. Wegen dieser Wahl sind politische und diplomatische Kontakte zu Moskau zurzeit für Slowenien wichtig.

Einige slowenische Parteien, die vor allem die sozialistische Vergangenheit des Landes sehr kritisch sehen, nutzen die Putin-Visite dazu, zu argumentieren, dass sich Slowenien vom Westen und der Nato entfernen würde – und dass hinter dem Besuch alte kommunistische Seilschaften stünden. Das ist nicht unbedingt wahr, aber ein ewiges Thema in Slowenien.

Inkonsistente Außenpolitik

Der liberale Premier Miro Cerar musste öffentlich eine Erklärung abgeben, weshalb Slowenien einerseits angesichts der Spannungen mit Russland ein Dutzend Soldaten für eine neue Nato-Mission in Osteuropa entsenden wird und andererseits zur gleichen Zeit Putin empfängt. Cerar meinte, dass ein Dialog mit Russland nötig sei. "Aber natürlich konnte er nicht verbergen, dass unsere Außenpolitik in dieser Hinsicht inkonsistent ist und sich einerseits dem Druck der Nato und andererseits von Russland anpasst", meint Marko Lovec, Politologe in Ljubljana.

Russland ist zudem einer der wichtigsten Exportmärkte für Slowenien. Putin wird aber nicht von Wirtschaftstreibenden begleitet werden, sondern von 200 Künstlern, die russische Kultur bewerben sollen. "Der Besuch ist symbolisch, er gibt uns selbst ein Gefühl von Wichtigkeit und öffnet Putin ein Tor nach Europa. Er braucht dringend wieder Zugang zur EU, um die neuen Realitäten in der Ukraine zu legitimieren", so Lovec. Natürlich würden ihm dabei der Brexit, die US-Wahlen, die Krise in der Türkei und der Kampf gegen die IS-Miliz helfen.

Die russische Kapelle am Pass Vrsic war 1916 erbaut worden, um jener 110 russischen Kriegsgefangenen zu gedenken, die im Ersten Weltkrieg hier von einer Lawine getötet worden waren. Die Gegend war wegen ihrer Nähe zur Isonzo-Front im Jahr 1915 strategisch wichtig geworden.

Russische Kriegsgefangene mussten für Österreich-Ungarn eine Straße auf den Pass bauen, um die Versorgung mit Material für die Front zu sichern. Am 8. oder 12. März begrub eine Lawine etwa 110 Gefangene und sieben Wachebeamte in einem Arbeitslager unter sich.

Die überlebenden russischen Soldaten bauten in Erinnerung im November die russische Holzkirche mit den zwei Türmen auf beiden Seiten. Eine Inschrift lautet: "Für die Söhne Russlands".

Die Idee, Putin zum 100. Jahrestag einzuladen, wurde noch vor der Ukraine-Krise geboren. Der sozialdemokratische slowenische Präsident Borut Pahor, der eigentlich um sein gutes Image im Westen bemüht ist, hatte die Aufgabe, Putin als seinen Amtskollegen einzuladen. Sein Einladungsschreiben begann mit: "Wir sind über einige Dinge uneinig ..." Lovec sagt, dass dies so viel heiße wie: "Wenn Sie kommen müssen, dann kommen Sie ..."

Gründe der Pietät

Danach folgten einige Gespräche mit westlichen Partnern, vor allem mit den USA und Deutschland. Man einigte sich, dass Putin nur aus Gründen der Pietät nach Slowenien kommen könne. Ursprünglich wollte man sogar ein Monument mit einem fünfzackigen Stern erbauen – doch davon nahm man dann Abstand, weil dies doch zu sehr an die eigene slowenische kommunistische Vergangenheit erinnert hätte. Nun sind auf dem Monument Vögel statt Sternen zu sehen.

Bei der Veranstaltung werden 2500 Gäste erwartet – Stöcke und Schirme sind verboten. Eigentlich findet die Veranstaltung sonst immer sonntags statt, heuer wurde sie wegen Putins Visite verschoben. Zunächst wird Putin die russische Kapelle auf dem Vrsic besuchen. Danach wird er in Ljubljana jenen Friedhof besuchen, auf dem russische Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg begraben liegen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind sehr hoch. So wurde sogar die slowenische Armee aufgefordert, ihre Radaranlagen zu nutzen, um den Luftraum zu kontrollieren. (Adelheid Wölfl, 29.7.2016)