Um zwei hehre Ziele wird in der Republik gekämpft, wenn derzeit auch mit unterschiedlicher Intensität – um die Hofburg und um den ORF. Zu beiden Gegenständen hat sich der "Kurier" neulich durch die Weitergabe von Information verdient gemacht. Schuld daran, dass es – in der Nachfolge Heinz Fischers – überhaupt so weit kommen konnte, sind Rot und Schwarz, raffte dort keine Geringere als Frau Lotte Tobisch die Volksmeinung zusammen. Dass jetzt vielleicht wirklich der Herr Dingsda, wie heißt er doch ...
Ja, dass wir den jetzt auch noch als Bundespräsidenten kriegen könnten, ist doch ein Albtraum.

Ein Albtraum aber nicht nur für Österreich, sondern auch für jenen Herrn Dingsda, der das Wundern versprochen hat. Wenn er wirklich in die Hofburg einzieht, werden nicht wir uns wundern, was alles möglich ist: Wenn er wirklich versucht, in der Hofburg auf den Tisch zu hauen, wird er sich jeden einzelnen Zahn an der Beamtenschaft ausbeißen.

An der Beamtenschaft haben sich hierzulande schon viele Untertanen Zähne, wenn vielleicht auch nicht jeden einzelnen Zahn ausgebissen. Aber eine Totalextraktion durch den Versuch zu provozieren, in der Hofburg auf den Tisch zu hauen, kann den Herrn Dingsda umso weniger interessieren, als er schon angekündigt hat, sich in der Hofburg mit der Beamtenschaft zu umgeben, die ihn gebisswahrend durch sein bisheriges Leben als Berufspolitiker gestreichelt hat. Auf den Tisch hauen muss er gar nicht.

Einer, der sich schon einmal einen Zahn ausgebissen hat, kam am selben Tag zu Wort, und zwar gleich über anderthalb Druckseiten. Wie ich 2006 nicht ORF-General geworden bin – Der Erlebnisbericht eines Kandidaten, geliefert vom "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter, und zwar mit kaum zehnjähriger Verspätung. Es handelte sich dabei um die Bekenntnisse einer schönen Seele, die keimfrei unpolitisch nur das Beste für die ORF-Konsumenten wollte und feststellen musste, damit nur peripheres Interesse zu erwecken.

Die Wahl des ORF-General direktors im Sommer 2006 war die zweite, die nach dem neuen, von der schwarz-blauen Regierung verabschiedeten Gesetz ablief. Gerd Bacher hatte an Formulierungen mitgearbeitet, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die nötige Unabhängigkeit und einen sinnvollen Programmauftrag zurückgeben sollten. Keine Chance: Stiftungsräte, die nur ihrem Gewissen verantwortlich sein sollten, waren das Ziel, von dem jeder Österreicher wusste, dass es leider illusorisch war.

Sich dennoch für den Generaldirektor zu bewerben verrät da schon eine große Portion Illusionismus. Ich hatte 15 Jahre ORF hinter mir, ... ich hatte gemeinsam mit anderen den Sender Puls-TV und schließlich eine Agentur für Kommunikation gegründet. Aber unsere Erfahrungen haben kaum jemanden inter essiert, unsere Pläne für den ORF schon gar nicht. Aber einen gewissen Unterhaltungswert hatte das Abenteuer schon.

Stiftungsrat Walter Meischberger – wie doch die Zeit vergeht! – offenbarte mir bei einem Treffen in Grinzing sein Dilemma, und es war ein vergleichsweise harmloses: Er sei wie seine Partei gegen das Duo Lindner/Mück, würde aber generell alle seine Entscheidungen mit seinem besten Freund, mit Karl-Heinz Grasser absprechen. Das würde er noch heute gern. Es war jedenfalls für Brandstätter ein Satz, an den ich später, auch zuletzt, in anderem Zusammenhang recht oft denken musste. Wer nicht?

Mit Kurt Bergmann, dem Chef des schwarzen Freundeskreises, war das Gespräch einfach. Es gäbe keine Alternative zu Lindner/Mück, diesen Befehl aus der ÖVP-Zentrale hatte er umzu setzen. Das änderte sich – beinahe. Kurt Bergmann kam nach dem Hearing, meinte die ÖVP würde mich vielleicht wählen, wir müssten aber ein Team vereinbaren. An dieser Kleinigkeit scheiterte letztlich eine möglicherweise große Karriere. Das trauliche Bekenntnis einer SPÖ-Stiftungsrätin, ihn wählen zu wollen, aber "Sie wissen, die Partei" war da keine große Enttäuschung mehr.

Warum ich mir das angetan habe, im Wissen, dass man ohne Packelei keine Chance hat? Nur damit die "Kurier"-Leser und Gebührenzahler authentisch erfahren, wie es im ORF zuging, und wohl gerade wieder zugeht. Aber selber hat er auch profitiert. Ich habe in den Wochen vor dem 17. August 2006 und an diesem Tag mehr über Österreich verstanden, als ein Student der Politologie in fünf Jahren lernen könnte. So war doch alles gut, wie es kam. (Günter Traxler, 30.7.2016)