Kinder bei einer Kundgebung vor dem Rathaus am Donnerstagnachmittag. Sie behalten ihre Plätze nun zumindest bis Ende August.

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Wien – Bis Ende August bleiben die Kindergärten des privaten Trägervereins Alt-Wien jedenfalls geöffnet. Das ist das vorläufige Ergebnis der Verhandlungen zwischen Stadt Wien und jenem Kindergartenbetreiber, dem Fördergeldmissbrauch in Millionenhöhe vorgeworfen wird. Die Eltern von 2.300 Kindern können also erst einmal durchatmen, sie stehen am Montag nicht vor verschlossenen Kindergartentüren.

Bankbestätigung bis Mittwoch

Dennoch heißt es weiter warten, ob es auch längerfristig zu einer Lösung kommt. Erst kommende Woche wird sich herauskristallisieren, ob der Betreiberverantwortliche Richard Wenzel die notwendige Bankbestätigung vorweisen wird. Es geht um den Nachweis, Schulden in Höhe von 6,6 Millionen Euro zurückzahlen zu können. Die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) hat ihm für die Bankbestätigung bis kommenden Mittwoch Zeit gegeben. Wenzel habe glaubhaft versichert, dass es Alt-Wien bisher nicht geschafft habe, das entsprechende Dokument aufzutreiben, sagte Frauenberger am Freitag.

Um eine Lösung, unter welchen Rahmenbedingungen Wenzel die Förderungen von 6,6 Millionen Euro zurückzahlen muss, die er zwischen 2009 und 2014 zweckwidrig verwendet haben soll, wurde bereits ein halbes Jahr gerungen. Die zuständige Magistratsabteilung 10 hatte gefordert, den Gesamtbetrag in höchstens fünf Jahren und verbunden mit der erwähnten Bankbelehnung retourniert zu bekommen.

Laufende Zahlungen werden fortgesetzt

Um den Kindergartenbetrieb den August über aufrechterhalten zu können, hat sich die MA 10 bereiterklärt, die Zahlungen an die Alt-Wien-Einrichtungen einen weiteren Monat fortzusetzen. So hätten die Eltern die Möglichkeit, eventuell notwendige neue Kindergartenplätze zu finden, sollte die Bestätigung über die Beibringung der Bankgarantie nächste Woche nicht vorgelegt werden.

Die Stadt ist aber optimistisch, dass die Kompromisslösung hält. Dennoch will man Konsequenzen aus dem Fall ziehen. So sagt MA-10-Leiterin Daniela Cochlar: "Wir lernen laufend dazu", das Abrechnungsmodell sei bereits verbessert worden. Frauenberger weist darauf hin, dass nach den Stadtrechnungshof-Prüfungen das eigene Fördersystem genau unter die Lupe genommen und verbessert worden sei: "Auf alle Missbrauchsfälle ist die MA 10 selbst draufgekommen. Das Kontrollsystem funktioniert."

Interessen der Kinder im Vordergrund

Wenn Mittel rechtswidrig verwendet werden, "dann können wir nicht darüber hinwegsehen", sagt Frauenberger. Dann habe das auch Konsequenzen. Aber man dürfe nicht nur über rechtliche Aspekte reden, gibt sie zu, "es geht um die Kinder". Es sei der Stadt wichtig gewesen, den Eltern Sicherheit zu geben: "Sie bekommen nun mehr Zeit."

Warum man weiterhin mit Wenzel zusammenarbeite? Ihm wird vorgeworfen, mit städtischen Geldern etwa ein Schloss in Bad Aussee instand gehalten und Immobilien saniert zu haben. Cochlar erläutert, dass der Vorstand der Alt-Wien-Einrichtungen ausgetauscht wurde. Das habe man seitens der Stadt verlangt, Wenzel sei nun nicht mehr Teil des Vorstands. Man gehe davon aus, "dass uns nun seriöse Partner gegenüberstehen".

Ungewissheit empört FPÖ, ÖVP und NEOS

Wenig Freude hat die Rathaus-Opposition mit von der Stadt Wien präsentierten Lösung zur im Raum stehenden Schließung der Alt-Wien-Kindergärten gezeigt. Kritik gab es am Umgang der Stadt mit den betroffenen Eltern. Die Situation sei "noch immer eine Zumutung", meinen die NEOS. Die FPÖ wiederum sieht im städtischen Krisenmanagement "eine Farce", die ÖVP fordert Reformen.

"Die Eltern und Kinder sind die einzigen Beteiligten, die für diesen Skandal nichts können", ärgerte sich Klubobmann Dominik Nepp in einer Aussendung. Die Freiheitlichen fordern ob der weiterhin offenen Zukunft der Alt-Wien-Kindergärten, eine verbindliche Zusicherung der Stadt, sowohl die Plätze als auch das Personal zu übernehmen und daraus städtische Kindergartenplätze zu machen.

Westliche Werte

Bundesobmann Heinz-Christian Strache (FPÖ) forderte unterdessen die Streichung von Subventionen für islamische Kindergärten. "Subventionen streichen, ausreichend Kindergartenplätze öffentlich schaffen", sagte Strache Freitag im Ö1-Mittagsjournal, kritisierte "Parallelgesellschaften" und warf der Regierung hier "völliges Versagen" vor. Die Genfer Flüchtlingskonvention will Strache auf europäischer Ebene neu verhandeln.

Straches Sprecher betonte, dass das nicht bedeuten würde, auch die Förderung anderer konfessioneller Kindergärten zu streichen. Man wolle den Kindern schließlich westliche Werte beibringen, nicht islamische. Ob und wie eine derartige Unterscheidung rechtlich zulässig wäre, müsse man Juristen fragen.

ÖVP-Landesparteichef Gernot Blümel ortet in der Causa Alt-Wien ein "logisches Ergebnis von Ignoranz, Nachlässigkeit, Unprofessionalität und Realitätsverweigerung". Es sei unumgänglich, "dass die Stadtregierung aus diesen gravierenden Fehlern endlich die richtigen Schlüsse zieht". Gefordert werden "konkrete Lösungen und tiefgreifende Reformen, vor allem im Hinblick darauf wie das Förderwesen auf neue Beine gestellt werden und die flächendeckende und effektive Kontrolle der Kindergärten gewährleistet werden kann".

Die NEOS wiederum plädieren erneut dafür, dass die Stadt eine einjährige Bestandsgarantie für die betroffenen Plätze ausspricht, denn: "Jede Person, die schon einen Kindergartenplatz gesucht hat, weiß, wie schwierig es ist, überhaupt einen zu bekommen. Das nun schlimmstenfalls binnen eines einzigen Monats zu schaffen, ist mehr als eine Herausforderung", stellte Bildungssprecher Christoph Wiederkehr fest.

Gewerkschaft informiert Mitarbeiter

Zu Wort meldete sich außerdem die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), die am gestrigen Donnerstagabend eine Informationsveranstaltung für die betroffenen "Alt-Wien"-Mitarbeiter abhielt. An dieser hätten mehr als 250 Personen teilgenommen, hieß es in einer Aussendung. "Die Aufregung ist verständlicherweise riesengroß, die Betroffenen haben uns mit vielen Fragen konfrontiert", berichtete die zuständige Regionalsekretärin Erika Schmidt. Im Sinne der Mitarbeiter und der Kinder hofft die Gewerkschaft, dass kommende Woche "endgültig grünes Licht" für die Weiterführung der Kindergärten gegeben werden kann.(Rosa Winkler-Hermaden, APA, 29.7.2016)