Philadelphia – Die Messlatte für Hillary Clinton war hoch. Wahrscheinlich zu hoch. In den vergangenen Tagen übertrumpften sich die Redner am Parteitag der Demokraten in Philadelphia geradezu. Zuerst gab die derzeitige First Lady Michelle Obama mit einer ihrer bisher herausragendsten Reden den Ton für die weitere Woche an. Am Mittwoch lieferte Vizepräsident Joe Biden dann die vielleicht pointierteste rhetorische Attacke auf Donald Trump, und Präsident Barack Obama erinnerte danach alle Zuschauer an seine Gabe, Menschen mit seinen Worten in den Bann zu ziehen.

Hillary Clinton lieferte am Donnerstag zwar eine solide Rede – kontrolliert in ihrer Ausführung –, aber mit keinen nennenswerten Höhepunkten. Zu hören war das Erwartbare: ein Schnelldurchlauf durch die bisherige Karriere, eine Analyse des Zustands der Nation, Reformpläne und Angriffe auf Trump.

Hillary Clinton nimmt als erste Frau die Nominierung als demokratische Präsidentschaftskandidatin an.
Foto: AFP PHOTO / Robyn Beck

Kritische Zwischenrufe

Der Funke wollte nicht so recht überspringen. Auch wenn sie im Fernsehen nicht zu hören waren, in der Wells Fargo Arena gab es auch am letzten Tag immer noch einige kritische Zwischenrufer im Publikum – im Gegensatz zum Parteitag der Republikaner vergangene Woche.

Und Clinton gab es auch selbst zu: "Die Wahrheit ist, über all die Jahre im öffentlichen Dienst ist mir der Dienst immer leichter gefallen als die Öffentlichkeit. Manche Leute wissen nicht, was sie mit mir anfangen sollen." Trotzdem unternahm sie den Versuch, die politische Mitte und die Unentschlossenen, darunter Sanders-Unterstützer, unter dem Motto "Stronger together" an diesem Abend abzuholen.

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Freier College-Zugang für Mittelklasse

Die Wirtschaftssituation sei deshalb nicht zufriedenstellend, weil die Demokratie nicht mehr funktioniere, wie sie sollte, sagte Clinton. Sie kündigte an, Politik und Geld zu trennen und die Kampagnengesetzgebung zu ändern. Mit Bernie Sanders will sie in Sachen Studiengebühren gemeinsame Sache machen und der Mittelklasse einen freien College-Zugang ermöglichen: "Es ist unfair, dass Trump seine Schulden ignorieren kann, aber Studenten und ihre Familien ihre nicht bedienen können." Wall Street, Konzerne und die Superreichen müssten ihren Teil dazu beitragen, das Land zu reformieren, sagte Clinton, die wegen ihrer eigenen Verbindungen immer in der Kritik stand: "Wenn 90 Prozent der Gewinne an ein Prozent gehen, dann ist dort das Geld. Und wir werden dem Geld folgen."

Ihre eigene Nominierung als erste amerikanische Frau zur demokratischen Präsidentschaftskandidaten bezeichnete sie als "Meilenstein", der damit erreicht sei und ihrer Einschätzung nach vieles ermöglichen werde: "Wenn in den USA eine Barriere fällt, wird der Weg für alle frei gemacht."

Leere Versprechen von Trump

Dass die Möglichkeit eines Kontrahenten Donald Trump bestünde, habe sie selbst vor einem Jahr nicht für möglich gehalten, sagte Clinton. Sie warnte vor den Folgen: "Einem Mann, den man alleine mit einem Tweet in Rage bringen kann, kann man keine Atomwaffen anvertrauen." Clinton griff Trump auch dafür an, einen großen Teil seiner Produkte im Ausland herzustellen: "Wenn er Amerika wieder großartig machen will, sollte er damit beginnen, Dinge in Amerika zu machen." Trump würde nur leere Versprechen anbieten, sie, Hillary, habe hingegen vor, eine mutige Agenda umzusetzen, die das Leben aller verbessern werde. Abschließend forderte Clinton alle Amerikaner auf, diesen Weg mit ihr gemeinsam zu bestreiten: "Let's be stronger together, my fellow Americans."

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Hillary Clinton griff Trump in ihrer Rede an. Er solle beginnen, Dinge in Amerika zu produzieren, bevor er davon rede, Amerika wieder großartig zu machen.
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Tochter Chelsea Clinton hatte ihre Mutter zuvor mit ähnlich schmeichelnden Worten vorgestellt wie vergangene Woche Ivanka Trump ihren Vater, wirkte jedoch um einiges authentischer, als sie von ihren Kindheitserinnerungen sprach. John Allen, ehemaliger General der US Marines und der Isaf-Truppen in Afghanistan, brachte die Halle mit patriotischen Nachrichten an den Rest der Welt zum Brodeln: "Zu unseren Feinden: Wir werden euch verfolgen, ihr werdet uns fürchten. Zum IS: Wir werden euch besiegen."

Den vielleicht beeindruckendsten und wirkungsvollsten Auftritt legte an diesem Donnerstagabend Khizr Khan hin, dessen Sohn als US-Soldat im Irakkrieg gestorben war. Der praktizierende Muslim kritisierte die feindliche Atmosphäre, die Trump geschaffen hätte, und richtete sich direkt an ihn: "Sie haben nichts für dieses Land geopfert. Haben Sie überhaupt schon jemals die Verfassung der Vereinigten Staaten gelesen? Ich kann sie Ihnen gerne borgen", meinte Khan und zog eine Ausgabe aus seinem Sakko. Er selbst und alle Immigranten würden nicht mehr mit unbeschwertem Herzen zu dieser Wahl gehen können. (Teresa Eder aus Philadelphia, 29.7.2016)