Brüssel – Die EU stellt erstmals seit dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei Hilfsgelder direkt über Ministerien der türkischen Regierung bereit. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Projektaufstellung der EU-Kommission zur Verwendung von versprochenen drei Milliarden Euro für in der Türkei lebende Syrien-Flüchtlinge hervor. Darin sind jeweils 300 Millionen Euro aufgeführt, die an das Bildungs- und das Gesundheitsministerium gehen sollen.

Vorwurf des Wortbruchs

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte der EU am Montag Wortbruch bei den finanziellen Versprechen im Rahmen der Flüchtlingszusammenarbeit vorgeworfen. "Drei Milliarden waren zugesagt", sagte Erdogan in der ARD, bisher seien aber nur symbolische Summen von ein oder zwei Millionen eingetroffen.

Ein Kommissionssprecher hatte die Angaben als "nicht wahr" zurückgewiesen und betont, die EU erfülle ihre Verpflichtungen. Er verwies gleichzeitig darauf, dass die Gelder "für Flüchtlinge und Gastkommunen, nicht für die Türkei und die Regierung" bestimmt seien.

Auftstockung

Die Kommission stockte nun die im Budget bereits zugewiesenen Gelder für die Flüchtlinge in der Türkei um 1,4 Milliarden auf insgesamt 2,15 Milliarden Euro auf. Bisher hat die Behörde davon aber nur knapp 106 Millionen Euro tatsächlich ausgezahlt. Vertragliche Vereinbarung für den Einsatz der Mittel wurden dabei bis Anfang der Woche ausschließlich mit internationalen Hilfsorganisationen wie dem Welternährungsprogramm oder Nichtregierungsorganisationen geschlossen.

Lediglich geplant war eine Vereinbarung mit der türkischen Behörde für Migrationsmanagement zur Versorgung von Flüchtlingen, die von Griechenland aus in die Türkei zurückgebracht werden. Hier beläuft sich der Betrag auf 60 Millionen Euro. Für die beiden türkischen Ministerien gibt es bisher gleichfalls nur eine finanzielle Zuweisung im EU-Budget, aber keinen konkreten Verwendungsvertrag oder gar eine Auszahlung.

Geld für Schulsystem

Im Falle der 300 Millionen Euro für das Bildungsministerium verweist die Kommission auf das Ziel, Flüchtlingskinder in das türkische Schulsystem zu integrieren. Damit sollten "Parallelstrukturen" für die teils seit Jahren im Land lebenden Flüchtlinge vermieden werden. Mit dem Gesundheitsministerium soll laut der Kommission ein Vertrag ausgehandelt werden, "um auf Flüchtlinge bezogene operationelle Kosten im Gesundheitsbereich zu decken".

Die türkischen Stellen seien dabei wie die bisher bedachten Organisationen "lediglich Partner" für den Einsatz bestimmter Mittel aus dem Flüchtlingsfonds, sagte eine Kommissionssprecherin. Die EU wird der Behörde zufolge den türkischen Stellen auch nur "durch Nachweise belegte entstandene Kosten zurückzahlen". Brüssel werde "die Verantwortung für die Budgetumsetzung nicht an die türkische Regierung delegieren", hieß es.

Enge Zusammenarbeit

Die EU arbeitet seit Herbst in der Flüchtlingskrise eng mit der Türkei zusammen. Im November versprach sie dabei für 2016 und 2017 die drei Milliarden Euro für die Versorgung von Syrien-Flüchtlingen in der Türkei.

Im März wurde ein umfassendes Abkommen geschlossen, bei dem sich die Türkei unter anderem verpflichtet, alle neu auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Zudem wurden weitere drei Milliarden Euro bis 2018 in Aussicht gestellt. (APA, 28.7.2016)