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Vor 450 Jahren war die Ehe- und Kinderlosigkeit von Elisabeth I., Königin von England und Irland, öffentliches Thema.

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Jennifer Aniston muss auch 2016 noch klarstellen: "Frauen müssen nicht verheiratet oder Mutter sein, um vollständig zu sein."

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Die Schauspielerin und Regisseurin Jennifer Aniston ist seit über zwei Jahrzehnten eine der beliebtesten Personen, mit denen die Boulevardpresse ihre Seiten füllt. Auf dem Höhepunkt des Hypes um die Fernsehserie "Friends" in den 90iger-Jahren kopierten Millionen von Fans weltweit ihre Frisur. Später interessierte man sich vor allem für ihr Privatleben und ihre Ehe mit ihrem Kollegen Brat Pitt. Ausgabe für Ausgabe konnte man sich da durch ein immer wieder neu aufgelegtes Worst of "Was ist bloß mit Jennifer Aniston los?!" lesen. Wie hält sie das nur aus – so geschieden, so kinderlos, so "between boyfriends". Ein Idiom, das sich nur schwer ins Deutsche übertragen lässt und suggeriert, frau würde sich nach einer Trennung so unvollständig fühlen, dass sie quasi schon im Begriff ist, auf ihre nächste Beziehung zuzusteuern. Weil sich ohne Mr. Right nichts richtig für sie anfühlt. Männer sind übrigens nicht "between girfriends". Maximal "between jobs". Männer sind einfach Männer.

Gaffen wie bei einem Autounfall

Genau über diese verlogenen Doppelstandards hat Aniston vor kurzem einen vielbeachteten offenen Brief geschrieben, in dem sie klarstellt, wie abwertend und nervig es ist, ständig das Objekt prüfender Spekulationen zu sein. Wird die Ehe diesmal halten? Warum reagiert sie so emotional auf eine Frage nach Selbstzweifeln? Und sieht sie auf diesem Foto nicht doch ein klein wenig schwanger aus? All diese Fragen haben etwas Lauerndes, etwas Gaffendes. Sie klingen nach Menschen, die an einem Autounfall einfach nicht vorbeifahren können und ihr Handy zücken müssen, um ein Foto davon zu machen. Weil ja sonst nichts los ist.

Aber Jennifer Anistons Leben ist kein Unfall. Niemand außer sie selbst ist dazu berechtigt, es zu sezieren, zu mikroskopieren und darüber zu befinden, ob es erfolgreich ist oder nicht. Ganz besonders gilt das für Leute, die sie nicht kennen.

"Frauen müssen nicht verheiratet oder Mutter sein, um vollständig zu sein", schreibt Aniston, und anscheinend ist das auch 2016 noch eine Neuigkeit. Frauen haben sich innerhalb der gesellschaftlichen Konventionen von Mutterschaft und Bindung zu bewegen. Tun sie es nicht, müssen sie Abbitte oder Ersatzhandlungen leisten, um nicht aus dem Rahmen zu fallen.

Der nackte Ringfinger als Makel

Elisabeth I. hat aus ihrer unverheirateten Kinderlosigkeit zunächst die Tugend der (angeblichen) Jungfräulichkeit gemacht. Später bot sie als Surrogat an, mit England verheiratet zu sein und sprach von Untertanen als "all ihren Ehemännern". Die kinderlose Angela Merkel gilt nicht von ungefähr als die Mutti der Nation. Und erst kürzlich hat die britische Presse das Duell der potenziellen Premierministerinnen Andrea Leadsom und Theresa May zu einem Kampf einer Mutter mit einer kinderlosen Frau hochstilisiert.

Frauen, die ohne Ehering und Kinder sind, machen sich nach wie vor verdächtig. Umstände, die bei Männern eher als schlagkrafterhöhend oder zumindest unproblematisch gewertet werden, bleiben für Frauen ein Makel. Denn wenn die Summe eines erfüllten weiblichen Lebens stets gleichbleibend als verheiratet und mit Kindern definiert wird, geht die Gleichung ohne diese Konstanten nicht aus. Eine Option auf Variabilität, Entscheidungsfreiheit und darauf, sich nicht ständig qua Geschlechtsidentität unzureichend fühlen zu müssen, besteht somit nicht.

In Wirklichkeit geht es um Macht, nicht um Kinder

Doch auch Frauen, die allem Anschein nach den Anforderungen an erfüllte Weiblichkeit genügen, sind nicht vor gaffender Übergriffigkeit gefeit. Seit dem Tod von Margaret Thatcher 2013 erfreut sich die Presse an den Nachlassstreitigkeiten ihrer Kinder und spekuliert offen über Vernachlässigung und Gefühlskälte ihrerseits. Von ihrem Mann ist dabei natürlich nicht die Rede. Hillary Clinton wurde von einem Unternehmer gerade total witzig und ironisch vorgeworfen, ein "cold fish" zu sein. Eine gefühlskalte, womöglich sogar frigide Frau.

Und die fünfjährige Tochter der einflussreichen US-amerikanischen Feministin Jessica Valenti wurde gerade mit Vergewaltigung und Tod bedroht. Mit dem Ergebnis, das ihre Mutter sich auf unbestimmte Zeit aus den sozialen Medien zurückzieht.

Da schließt sich der Kreis. Genauer gesagt der Strick um den Hals von Frauen, die es wagen und auf sich nehmen, Gesellschaft mitzugestalten, Macht auszuüben, Besitz anzuhäufen und Meinung zu vertreten. Denn es ging nie wirklich um Kinder, um Beziehungen oder Ehe. Das alles dient nur als Vorwand, um Möglichkeiten zur Verhaltensverurteilung und Handlungsbedarf zu erzeugen. Es ging und geht dabei immer um Macht. Um diejenigen, die sich zu Macht berufen und berechtigt fühlen, und um diejenigen, die sie auf gar keinen Fall in die Finger bekommen und behalten dürfen. Mit allen Mitteln. (Nils Pickert, 31.7.2016)