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In den offiziellen Annalen der Frauenbewegung wurde Victoria Woodhull bis Ende des 20. Jahrhunderts verschwiegen.

Foto: Reuters/The Collection of The New York Historical Society

Dank der Kandidatur von Hillary Clinton und ihrer recht guten Chance, Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden, wird jetzt auch Victoria Woodhull wiederentdeckt – die erste Frau, die für die US-Präsidentschaft kandidiert hat (1872) und die ich Mitte der 1990er-Jahre aufgespürt habe. Damals schrieb ich meine Doktorarbeit in Politischer Ideengeschichte über feministische Sozialistinnen in der Ersten Internationale.

Bei deren Kongress in Den Haag 1872 wurde eine ominöse Sektion 12 aus New York auf Betreiben von Marx und Engels aus der Internationale ausgeschlossen – ebenso wie Bakunin und viele andere Anarchisten. Die Begründung war witzig: Diese "geistershakenden Bourgeoisweiber" und ihren "Freie-Liebe-Humbug" müsse man unterbinden, meinte Marx. Prompt wollte ich sie natürlich näher kennenlernen.

Das schwarze Schaf der Frauenbewegung

Und voilà, erst wurde Victoria Woodhull ein Kapitel meiner Diss, ein paar Jahre später dann Thema einer Publikation, die aber damals in Deutschland nicht viel Aufsehen erregte. Die einzige, die damals auch gleich richtig fasziniert war, war Hilal Sezgin, die eine ganze großartige Seite in der "Frankfurter Rundschau" darüber schrieb. Leider wurden solche Sachen damals noch nicht ins Internet gestellt. Aber ich habe noch eine Kopie und hüte sie wie meinen Augapfel.

Damals war Woodhull übrigens auch in den USA noch ganz unbekannt, weil sie das schwarze Schaf der Frauenbewegung war. In den offiziellen Annalen der Frauenbewegung wurde sie bis Ende des 20. Jahrhunderts verschwiegen. In einer "Wer wird Millionär"-Show war die Frage nach Amerikas erster Präsidentschaftskandidatin damals noch 500.000 Dollar wert, also: Kein Mensch kannte sie.

Inzwischen sind aber zahlreiche Biografien über sie erschienen, sie wurde in die "Seneca Hall of Fame" aufgenommen, wo Protagonistinnen der amerikanischen Frauenbewegung gewürdigt werden. Und nun, wo sich mit Clinton die erste tatsächliche US-Präsidentin ankündigt, wächst auch außerhalb der Fachkreise das Interesse an ihrer frühen Vorgängerin. (Antje Schrupp, 29.7.2016)