Auch gegen Vertraute von Präsident Putin wird ermittelt.

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Umgerechnet 900.000 Euro in Schuhkartons haben Ermittler des Geheimdienstes FSB bei der Hausdurchsuchung in der Vorortvilla von Andrej Beljaninow gefunden. Der russische Zollamtschef deklarierte den Fund als "Familienersparnisse". Zur besten Sendezeit präsentierte das russische Fernsehen seinen Zuschauern nicht nur einen Blick auf die pompöse Einrichtung, die vom Moskauer Designer Iskandar Kadyrow auf 35 Millionen Dollar ("teuer und geschmacklos") taxiert wurde. Sondern es zeigte sogar die aus Kästen geholte Garderobe des bisher so mächtigen Zollbeamten.

Beljaninow selbst wurde vor laufender Kamera auch noch über die Bildergalerie an seinen Wänden, darunter ein Aiwasowski, verhört: "Originale?" – "Nun, ja", sagte er achselzuckend, und es blieb dabei unklar, ob das ein Zeichen von Resignation war oder Verachtung für seine Peiniger ausdrücken sollte.

Durchsucht wurden auch das Büro von Beljaninow sowie die Büros zwei seiner Stellvertreter. Die Aktion hängt mit einem Fall von Korruption und Alkoholschmuggel zusammen. Teurer Edelcognac wurde als Dichtungsmittel deklariert und über St. Petersburg nach Russland eingeführt. Einer der Verdächtigen, der Unternehmer Sergej Lobanow, hat jahrelang als Berater Beljaninows gearbeitet. Inoffiziellen Angaben nach ist dies nicht der einzige Verdachtsmoment gegen den Zollchef.

Unmittelbare Folgen wird die Hausdurchsuchung für Beljaninow nicht haben. Er bleibe zunächst Zeuge in der Angelegenheit, heißt es von Ermittlungsseite aus. "Das kann nicht sein, weil das unmöglich ist", dementierte zudem Zollsprecherin Larissa Tscherkessowa den kolportierten Rücktritt Beljaninows energisch.

An den Rand gedrängt

Trotzdem ist der Zollchef, der schon in den 1980er-Jahren mit Wladimir Putin zusammen beim KGB in der DDR diente, nun erheblich geschwächt. Als mögliches Motiv der Demontage wird die geplante Zusammenlegung des Zolls mit der Steuerbehörde genannt, die Russlands Vizepremier Igor Schuwalow anstrebt. In einem solchen System wäre für Beljaninow kein Platz mehr.

Eine andere Erklärung gründet sich auf eine Neustrukturierung im FSB, wo bereits zuvor einige langjährige Amtsträger ihren Job verloren haben. Nach dieser Neuformierung hat der FSB vor Beljaninow schon einen anderen Vertrauten Putins ins Visier genommen: Alexander Bastrykin, Chef des Ermittlungskomitees, eine Art russisches FBI, musste in jüngster Zeit eigenen Worten zufolge "schmerzliche" Verluste hinnehmen. Zwei seiner Moskauer Generäle wurden wegen Bestechlichkeit festgenommen. Sie sollen einem Unterweltboss Straffreiheit gegen eine Millionenzahlung versprochen haben.

Bastrykins Versuch, die Affäre als Selbstreinigungsprozess darzustellen, wird in russischen Medien unter Bezug auf FSB-Quellen bestritten. Teilweise ist schon von einem "Krieg der Geheimdienste" um die enger werdenden Ressourcen die Rede.

Ob es sich um Umverteilungskämpfe oder eine echte Verschärfung der Korruptionsbekämpfung handelt, wird die Zeit zeigen. Klar scheint aber, dass weder hohe Ämter noch selbst die Nähe zu Putin völlige Sicherheit vor Strafverfolgung garantieren. Für Russlands politische Elite sind die Zeiten unsicherer geworden. (André Ballin aus Moskau, 28.7.2016)