Das Wort ist ausgesprochen: Religionskrieg. "Das Ziel des IS ist es, einen Religionskrieg anzuzetteln", meinte Premierminister Manuel Valls nach der Ermordung eines 86-jährigen Priesters im Normandie-Ort Saint-Étienne-du-Rouvray und dem Bekennerschreiben der Terrormiliz IS.

Valls, der innerhalb der Sozialistischen Partei als Hardliner gilt, benutzt das Wort "Krieg" so oft wie der konservative Oppositionschef Nicolas Sarkozy. Beiden sehen Frankreich im Krieg gegen die Islamisten. Die religiösen Würdenträger äußerten sich am Tag nach der grausamen Tat zurückhaltender. Präsident François Hollande hatte die Landesvertreter der Katholiken, Protestanten, Orthodoxen, Muslime, Juden und Buddhisten an seinen Amtssitz geladen, um ein Zeichen des Zusammenstehens zu setzen. Der Pariser Erzbischof André Vingt-Trois erklärte nach dem Empfang: "Wir dürfen nicht zulassen, in die Politik des IS hineingezogen zu werden, der die Kinder derselben Familie gegeneinander aufbringen will."

Die harmonischen Beziehungen zwischen den Glaubensgemeinschaften Frankreichs seien ein wichtiges Element für den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft, meinte der Kardinal, der den Rektor der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, ostentativ an der Hand hielt. Zum Zeichen, dass die Ermordung eines Priesters "eine Schändung der Republik" sei, wollte Hollande am Abend einer Messe in der Pariser Kathedrale Notre-Dame beiwohnen.

Kirche hatte Grundstück für Moschee abgetreten

In der Normandie-Metropole Rouen, zu der die Gemeinde Saint-Étienne-du-Rouvray gehört, sind die Vertreter aller Religionen konsterniert, dass mit Jacques Hamel ein Priester ermordet wurde, der sich stets für den Dialog zwischen den Religionen eingesetzt hatte. Seine Kirchengemeinde, in der er wegen seines hohen Alters nur noch Hilfsdienst verrichtete, hatte vor Jahren schon für einen symbolischen Euro ein Nachbargrundstück der Kirche zum Bau einer Moschee abgetreten.

Für Spannungen sorgte von außen der christdemokratische Ex-Minister François Bayrou. Er erklärte, jedermann wisse oder müsste wissen, dass es in Saint-Étienne-du-Rouvray eine "salafistische Moschee und eine fanatisierte Gemeinde" gebe, aus der schon mehrere Vertreter in den Jihad gereist seien. Imam Mohammed Karabila, der dem Regionalrat der Muslime vorsteht, widersprach heftigst. Mit den lokalen Gegebenheiten vertraute Personen meinen, Bayrou täusche sich; in Wirklichkeit gebe es Streit zwischen dem gemäßigten Karabila und den örtlichen Muslimbrüdern, was einige Salafisten ausnützen wollten, um in die Bresche zu springen.

10.000 Soldaten zum Schutz im Einsatz

In Paris wünschten die religiösen Würdenträger, dass die Regierung Kirchen, Moscheen und Synagogen in der französischen Provinz besser schütze. "Ob Christen, Juden oder Muslime, wir haben alle den Wunsch geäußert, dass die Behörden unseren Kultstätten mehr Aufmerksamkeit schenken", meinte Boubakeur. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian versprach eine Verlagerung der 10.000 Soldaten der Terroroperation "Sentinelle" zugunsten der Provinz. Dort sind derzeit 6.000 Soldaten stationiert, gegenüber 4.000 im Großraum Paris. (Stefan Brändle, 27.7.2016)