Durch den Ausfall Großbritanniens kommt auch Österreich früher zum Zug und übernimmt im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Vorsitz.

Wien – Nach dem Verzicht Großbritanniens auf seinen EU-Ratsvorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2017 rücken alle folgenden Vorsitzstaaten um jeweils ein halbes Jahr vor. Statt Großbritannien übernimmt Estland, für die Regierung in Wien bedeutet das, dass der österreichische EU-Ratsvorsitz in das zweite Halbjahr 2018 fällt.

Regulär soll im Herbst 2018 allerdings auch die nächste Nationalratswahl stattfinden. Innerhalb der Koalition hat das umgehend eine Debatte über möglicherweise vorgezogene Neuwahlen ausgelöst, vorläufig noch hinter vorgehaltener Hand.

Bundeskanzleramt: Regierung handlungsfähig

Die SPÖ lehnt eine Vorverlegung der Wahl wegen der EU-Präsidentschaft derzeit ab. Das sagte am Mittwoch Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Er sehe keinen Grund, die Wahl vorzuverlegen.

Ähnlich äußert sich das Bundeskanzleramt. Es sei kein Problem, die Regierungsgeschäfte zu erledigen, die Ratspräsidentschaft durchzuführen und gleichzeitig die Nationalratswahl vorzubereiten. Auch nach der Wahl werde es in jedem Fall eine interimistische, aber handlungsfähige Regierung geben, die auch die EU-Ratspräsidentschaft durchziehen könne. Ohnedies werde das meiste auf Beamtenebene erledigt, auch ein EU-Gipfel und die Vorbereitung der EU-Ministerräte in Wien seien kein Problem.

Außenpolitische Bühne

Die offizielle Linie in der ÖVP lautet ganz ähnlich, allerdings unterstellt die SPÖ dem Koalitionspartner, das Thema des EU-Vorsitzes für eine Diskussion über den Wahltermin zu missbrauchen. Konkret wird hier Außenminister Sebastian Kurz ins Spiel gebracht, der kein Interesse daran habe, die außenpolitische Bühne mit Bundeskanzler Christian Kern zu teilen.

Umgekehrt spekuliert man in der ÖVP, dass sich diese Frage so gar nicht stellen werde, da Kern von sich aus Neuwahlen bereits im kommenden Frühjahr suchen werde, um seine hohen Beliebtheitswerte auszunutzen und ein Duell mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu inszenieren. (Michael Völker, 27.7.2016)